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Dienstag, 5. Oktober 2010
3. Oktober
volce, 02:18h
Ich bin froh, entspannt, gelassen. Nur meine Müdigkeit macht mir zu schaffen. Ich muss mich oft aufraffen, all das Neue und Fremde um mich herum wirklich wahrzunehmen. Es ist wohl die Seehöhe, auf der ich mich befinde und die Tatsache, dass ich seit Tagen keinen Kaffee mehr getrunken habe. Ich rauche auch nicht mehr. Rauchen ist nämlich in Bhutan verboten und ich komme mir schäbig vor, immer bei den Schwarzmarktdealern Zigaretten zu besorgen. Ich esse kaum Fleisch, nur organisches Gemüse (was anderes gibt es hier nicht), vor allem Reis mit Chili und Käse, genannt Hemadatzi, das bhutanische Nationalgericht . Alles in allem lebe ich so gesund wie seit meiner Kindheit nicht mehr. Nur die Sache mit dem Kaffee wäre klärenswert. Als ich meinen Gastgebern von meiner Müdigkeit erzähle (sie habens sowieso gemerkt bei meinem Schlafpensum) bieten sie sofort an, mir Kaffee zu kaufen und zum Frühstück zuzubereiten. Nescafe natürlich. Was anderes kennen die hier nicht. Do you also have real coffee in Bhutan? - Real coffee, is this a brand? – No, real coffee is real coffee. Nescafe isn’t real coffee. Naja, es wurde doch Nescafe. Immerhin.

Heute war ein herrlicher Tag. Zuerst waren wir im Tempel, weil ein buddhistischer Feiertag war und weil der Sohn von Tshering zu seinem dreimonatigen Geburtstag vom Mönch gesegnet wurde. Danach haben wir eine wunderbare Zeit bei der Tante von Tsherings Frau verbracht. Ihr Mann ist Sergeant bei der bhutanischen Armee. Deshalb wohnt er mit seiner Familie am Militärgelände. Die Miltiärangehörigen wohnen nebeneinander in langgestreckten Häuserzeilen. Es gibt eine Wohnzeile und gegenüber eine Küchenzeile. Rechtwinkelig dazu am Ende der beiden Zeilen gibt es noch die Klozeile. Jede Familie hat zwei kleine Zimmer. Die Tante hat mit ihrem Mann und fünf Söhnen darin gewohnt. Drei sind jetzt schon ausgezogen. Die Familien erhalten kostenlos Wohnung, Strom, Wasser, sowie einen kleine Garten, den sie selbst bestellen können. Eigentlich wie im idealen Kommunismus. Man hat wenig aber genug. Es ist herrlich dort. Nachdem ich Reis mit Chili und getrocknetem Schweinefleisch verdrückt mache, durchstreife ich die Siedlung, fotografiere Kinder - es werden immer mehr. Immer mehr wollen fotografiert werden. Ich muss sie fotografieren, dann stürzen sie wie ein Bienenschwarm auf mich zu um das Bild am Display zu begutachten.
Ich gelange in ein Haus, wo eine von Mönchen durchgeführte Schutz- und Segnungszeremonie stattfindet, werde zum Tee eingeladen und darf zwischen den Mönchen sitzen. Danach spiele ich bis Einbruch der Dunkelheit mit den Jugendlichen Volleyball. Umgeben von Bergen, herrlicher Luft und lachenden Kindern. Ich frage Tshering auf der Heimfahrt, ob in Bhutan auch jemand schlechte Laune hat. Das kommt schon vor meint er, aber wir sind ein glückliches Volk. Man kann aus alles etwas machen. Man kann über alles lächeln. Ein Lächeln kostet nichts, doch es gibt nichts, das ein Lächeln kaufen kann. Sagt es, lächelt, während wir in seinem zwanzig Jahre alten Toyota die Bergstraßen durch die Dunkelheit heimwärts kurven.


Heute war ein herrlicher Tag. Zuerst waren wir im Tempel, weil ein buddhistischer Feiertag war und weil der Sohn von Tshering zu seinem dreimonatigen Geburtstag vom Mönch gesegnet wurde. Danach haben wir eine wunderbare Zeit bei der Tante von Tsherings Frau verbracht. Ihr Mann ist Sergeant bei der bhutanischen Armee. Deshalb wohnt er mit seiner Familie am Militärgelände. Die Miltiärangehörigen wohnen nebeneinander in langgestreckten Häuserzeilen. Es gibt eine Wohnzeile und gegenüber eine Küchenzeile. Rechtwinkelig dazu am Ende der beiden Zeilen gibt es noch die Klozeile. Jede Familie hat zwei kleine Zimmer. Die Tante hat mit ihrem Mann und fünf Söhnen darin gewohnt. Drei sind jetzt schon ausgezogen. Die Familien erhalten kostenlos Wohnung, Strom, Wasser, sowie einen kleine Garten, den sie selbst bestellen können. Eigentlich wie im idealen Kommunismus. Man hat wenig aber genug. Es ist herrlich dort. Nachdem ich Reis mit Chili und getrocknetem Schweinefleisch verdrückt mache, durchstreife ich die Siedlung, fotografiere Kinder - es werden immer mehr. Immer mehr wollen fotografiert werden. Ich muss sie fotografieren, dann stürzen sie wie ein Bienenschwarm auf mich zu um das Bild am Display zu begutachten.

Ich gelange in ein Haus, wo eine von Mönchen durchgeführte Schutz- und Segnungszeremonie stattfindet, werde zum Tee eingeladen und darf zwischen den Mönchen sitzen. Danach spiele ich bis Einbruch der Dunkelheit mit den Jugendlichen Volleyball. Umgeben von Bergen, herrlicher Luft und lachenden Kindern. Ich frage Tshering auf der Heimfahrt, ob in Bhutan auch jemand schlechte Laune hat. Das kommt schon vor meint er, aber wir sind ein glückliches Volk. Man kann aus alles etwas machen. Man kann über alles lächeln. Ein Lächeln kostet nichts, doch es gibt nichts, das ein Lächeln kaufen kann. Sagt es, lächelt, während wir in seinem zwanzig Jahre alten Toyota die Bergstraßen durch die Dunkelheit heimwärts kurven.

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1./2. Oktober
volce, 02:13h
Tsherings Familie lebt unter dem Dach in in einer kleinen Wohnung. Ich schlafe im Gebetsraum. Außer mir befinden sich im Zimmer nur Bilder und Statuen von Buddha und von Reinkarnationen von Guru Rinpoche. Und Kakerlaken. Die ganze Wohnung ist von Kakerlaken verseucht. Als ich die Bettdecke hebe und darunter Kakerlaken finde, versuche ich, mich in der ersten Nacht mit meinem Moskitonetz abzuschirmen. Als ich am nächsten Tag beim Aufwachen genau über meinem eine Kakerlake auf der Innenseite des Netzes finde, denke ich, Buddha liebt alle Geschöpfe und damit auch die Kakerlaken und so soll ich es wohl auch halten.
In der Wohnung gibt es fließendes Wasser, allerdings nur kalt und ohne Dusche oder Waschbecken. Es befindet sich im Boden nur ein Abfluss. Will man warmes Wasser haben, muss man einen lebensgefährlichen Tauchsieder, der nur aus zwei Drähten und vier Heizspiralen besteht, in den Wasserkübel tauchen. Dabei macht es immer schöne blaue Funken. Man sollte den Tauchsieder auf alle Fälle vor der Benutzung des Warmwassers entfernen. Will man den Tag überleben. Die Toilette ist eine Stehklo in einem niedrigen Winkel des Bades . Ich arbeite noch daran, dafürdie richtige Benutzerposition zu finden.
Überhaupt ist alles sehr klein und verwinkelt. In der gesamten Wohnung gibt es zwei Fenster und sonst nur Oberlichten. Aber die Familie äußerst nett, Tsherings Frau kocht gut. Es gibt dreimal täglich Reis mit Chili und dazu anderes Gemüse, Eier, Käse. Ich verstehe mich herrlich mit Tshering. Er ist der Leiter des Happy Valley Theatre, der einzigen Theatergruppe in Bhutan. Seine Ausbildung besteht aus ein paar Workshops bei ausländischen Theatermachern, Internetrecherche und Büchern. Er will alles lernen, was möglich ist. Er wollte immer schon Theater spielen, das Studium hat ihn nicht interessiert. Seine Noten waren schlecht. Nur das Problem war: es gab kein Theater. Also hat er eines gegründet. Happy Valley macht vor allem Straßentheater zu sozial wichtigen Themen wie Drogen, Teenage Pregnancy, HIV aber auch Schutz der Tiger, der Bäume, Umweltschutz insgesamt und Völkerverständigung. Eine idealistische Gruppe. Ich habe sie auch gleich alle kennengelernt. Ihr Büro und ihren Probenraum funktionieren sie an drei Tagen die Woche in ein Restaurant um. Da haben sie mich empfangen mit Spalier und Gebetsschal, einer Filmemacherin, die sich um die Dokumentation kümmert und gleich alles mitfilmt. Die Mitglieder der Gruppe sind wie die meisten Bhutaner anfangs sehr schüchtern, die Jungs aber nach einer Stunde dafür umso übermütiger.

Ich laufe durch Thimpu und muss feststellen, dass es hier aussieht wie in Tirol. Die Stadt könnte auch Kitzbühel sein. Jetzt weiß ich, warum ich mich hier so zu Hause fühle. Es sieht aus wie in Österreich: die Berge und die Gebäude die von der Form her der Tiroler Lederhosenarchitektur nicht unähnlich sind. Moderne Gebäude, mehrstöckig in traditioneller Form gebaut mit flachem Dach und breiten Balkonen. Die Häuser stehen eher locker am Hang verteilt, Forststraßen ziehen sich durch den Nadelwald. Sieht aus wie ein zersiedeltes Tiroler Tal. Die Stadt ist uninteressanter als ich dachte. Es ist alles relativ sauber und ordentlich, dadurch fehlt Chaos und die Spuren der Zeit.
Wir schlendern über den Markt, ich begutachte fremdartige Früchte und fotografiere Kinder, Verkäufer, schüchterne Blicke. Überall sind Schilder aufgestellt, die zum Mülltrennen anhalten. Hier ist wohl einiges äußerst vorbildlich für ein Entwicklungsland. Der Wald darf nicht abgeholzt werden. Die bedrohten Tiere sind geschützt. Es gibt keine ausländischen Konzerne, die das Land ausbeuten. Gesundheitsvorsorge und Ausbildung sind gratis. Es scheint kaum Korruption zu geben. Der König ist gerecht. Und alle lieben den König. Er hat von sich aus die Demokratie eingeführt, obwohl die eigentlich keiner wollte. Als es drei Wochen vor der Wahl noch immer keine Parteien gab, musste er seine Minister dazu anhalten, welche zu gründen.
Ich schlafe viel, denn der Jetlag und die Höhe machen mich müde. Im Fernsehen laufen bhutanische Dancingstars. Tanzen können sie hier wirklich nicht. Und das Fernsehen ist so billig, dass alles nach Homevideo aussieht. Ein Qualitätsverständnis für Theater, Tanz oder andere darstellende Künste scheint es hier nicht zu geben. Tshering macht hier Pionierarbeit.
In der Wohnung gibt es fließendes Wasser, allerdings nur kalt und ohne Dusche oder Waschbecken. Es befindet sich im Boden nur ein Abfluss. Will man warmes Wasser haben, muss man einen lebensgefährlichen Tauchsieder, der nur aus zwei Drähten und vier Heizspiralen besteht, in den Wasserkübel tauchen. Dabei macht es immer schöne blaue Funken. Man sollte den Tauchsieder auf alle Fälle vor der Benutzung des Warmwassers entfernen. Will man den Tag überleben. Die Toilette ist eine Stehklo in einem niedrigen Winkel des Bades . Ich arbeite noch daran, dafürdie richtige Benutzerposition zu finden.
Überhaupt ist alles sehr klein und verwinkelt. In der gesamten Wohnung gibt es zwei Fenster und sonst nur Oberlichten. Aber die Familie äußerst nett, Tsherings Frau kocht gut. Es gibt dreimal täglich Reis mit Chili und dazu anderes Gemüse, Eier, Käse. Ich verstehe mich herrlich mit Tshering. Er ist der Leiter des Happy Valley Theatre, der einzigen Theatergruppe in Bhutan. Seine Ausbildung besteht aus ein paar Workshops bei ausländischen Theatermachern, Internetrecherche und Büchern. Er will alles lernen, was möglich ist. Er wollte immer schon Theater spielen, das Studium hat ihn nicht interessiert. Seine Noten waren schlecht. Nur das Problem war: es gab kein Theater. Also hat er eines gegründet. Happy Valley macht vor allem Straßentheater zu sozial wichtigen Themen wie Drogen, Teenage Pregnancy, HIV aber auch Schutz der Tiger, der Bäume, Umweltschutz insgesamt und Völkerverständigung. Eine idealistische Gruppe. Ich habe sie auch gleich alle kennengelernt. Ihr Büro und ihren Probenraum funktionieren sie an drei Tagen die Woche in ein Restaurant um. Da haben sie mich empfangen mit Spalier und Gebetsschal, einer Filmemacherin, die sich um die Dokumentation kümmert und gleich alles mitfilmt. Die Mitglieder der Gruppe sind wie die meisten Bhutaner anfangs sehr schüchtern, die Jungs aber nach einer Stunde dafür umso übermütiger.

Ich laufe durch Thimpu und muss feststellen, dass es hier aussieht wie in Tirol. Die Stadt könnte auch Kitzbühel sein. Jetzt weiß ich, warum ich mich hier so zu Hause fühle. Es sieht aus wie in Österreich: die Berge und die Gebäude die von der Form her der Tiroler Lederhosenarchitektur nicht unähnlich sind. Moderne Gebäude, mehrstöckig in traditioneller Form gebaut mit flachem Dach und breiten Balkonen. Die Häuser stehen eher locker am Hang verteilt, Forststraßen ziehen sich durch den Nadelwald. Sieht aus wie ein zersiedeltes Tiroler Tal. Die Stadt ist uninteressanter als ich dachte. Es ist alles relativ sauber und ordentlich, dadurch fehlt Chaos und die Spuren der Zeit.
Wir schlendern über den Markt, ich begutachte fremdartige Früchte und fotografiere Kinder, Verkäufer, schüchterne Blicke. Überall sind Schilder aufgestellt, die zum Mülltrennen anhalten. Hier ist wohl einiges äußerst vorbildlich für ein Entwicklungsland. Der Wald darf nicht abgeholzt werden. Die bedrohten Tiere sind geschützt. Es gibt keine ausländischen Konzerne, die das Land ausbeuten. Gesundheitsvorsorge und Ausbildung sind gratis. Es scheint kaum Korruption zu geben. Der König ist gerecht. Und alle lieben den König. Er hat von sich aus die Demokratie eingeführt, obwohl die eigentlich keiner wollte. Als es drei Wochen vor der Wahl noch immer keine Parteien gab, musste er seine Minister dazu anhalten, welche zu gründen.
Ich schlafe viel, denn der Jetlag und die Höhe machen mich müde. Im Fernsehen laufen bhutanische Dancingstars. Tanzen können sie hier wirklich nicht. Und das Fernsehen ist so billig, dass alles nach Homevideo aussieht. Ein Qualitätsverständnis für Theater, Tanz oder andere darstellende Künste scheint es hier nicht zu geben. Tshering macht hier Pionierarbeit.
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28/29/30. September
volce, 02:11h
Ich reise durch Welten. Ich kann nichts begreifen sondern nur schauen. Überbordende Bilder. Jeder Augenblick ein Geschenk, jeder Moment eine Szene. Indien ein tausendfaches Gemälde. Bhutan der friedvollste Ort der Welt. So erscheint es mir nach den ersten zwei Tagen meiner Reise. Dabei beginnt alles mit einer Beinahe-Katastrophe, einem Schreckenstrip durch Berlin.
Ich lasse mich zum Flughafen bringen. Keine gute Idee an diesem Donneratag Vormittag, denn am Autobahnring stecken wir sofort im Stau fest. Die Zeit verinnt, wir kommen kaum voran und mittlerweile ist fast nur noch eine Stunde bis zum Abflug meiner Maschine. Wir verlassen die Autobahn, damit ich auf die S-Bahn wechseln kann, doch dann finden wir uns auf irgendwelchen unbekannten Straßen in Charlottenburg und wissen gar nicht mehr, wie man fahren soll. Ich spüre echte Verzweiflung in mir aufsteigen, kann nicht mehr klar denken und werde panisch. Wir versuchen per Google Maps unseren Weg zu finden. Schließlich eine S-Bahnstation, doch der Zug fährt erst in 6 min. Also der Entschluss, ein Taxi zu nehmen. Der Taxifahrer kennt die Schleichwege und ich komme tatsächlich noch rechtzeitig zum Flughafen. Als ich vom Check-in zum Gate hetze, komme ich am Mann vom Check-in Schalter vorbei, der mich vorhin bedient hat und der gerade auch zum Gate geht. „Lassen Sie sich Zeit, Herr Schmidt“, sagt er gelassen. Ich staune, dass er sich meinen Namen gemerkt hat und hetze weiter.
Lassen Sie sich Zeit, Herr Schmidt“, das soll wohl die Losung dieser Reise sein.
Die Flüge sind angenehm, Turkish Airlines sympathisch, am Flughafen von Delhi genieße ich chillige indische Musik über die Lautsprecher und verliebe mich sofort in die freundliche, kindliche und verspielte Art der Inder. Die Sonne geht schnell auf, scheint durch die riesiegen Flughafenfenster, ich versuche in verschiedenen sitzenden Positionen zu schlafen. Am Flug von Delhi nach Bagdogra tauchen am Horizont hinter den Wolken die Bergketten des Himalaya auf. Ich kann es kaum fassen. Diese entfernten prächtigen schneebedeckten Gipfel sind also der Himalaya. Jetzt bin ich tatsächlich angekommen.

In Bagdogra gibt es keinen Himalaya mehr, nur heiße, feuchte indische Luft, banges Warten auf meinen Rucksack am Gepäcksausgabeband, den Gestank indischer Straßen und Dunst und Staub. Das Taxi führt mich durch endloses indisches Straßengetümmel. Hier passiert alles, überall und gleichzeitig. Ich blicke nur staunend und überwältigt aus dem Taxifenster. Soviel Armut und Schönheit gleichzeitig. Der Verkehr ist einfach nur Wahnsinn. Alles bewegt sich ohne Regel gleichzeitig so eng wie möglich aneinander vorbei und dabei auch noch um die Schlaglöcher herum. Zumindest fahren die Gefährtemeistens links aneinander vorbei, auch wenn sie bis kurz vor dem Ausweichmanöver genau aufeinander zu fahren. Vieles, was man sieht, macht Sinn, wie Männer, die auf der Straße anderen Männern den Bart scheren, Rikschas mit oder ohne Motor, letztere mit bis zu 7 Menschen behängt. Anderes macht keinen Sinn: Ein LKW, der in einem Fluss fährt und dabei bis zur Führerkabine ins Wasser eintaucht. Frauen, die in einem Bus warten, der keine Räder mehr hat. Andere Dinge sind einfach nur unglaublich. Es wird schnell und früh dunkel in Westbengalen, doch der Verkehr wird nicht vorsichtiger. Jetzt wird zusätzlich zum Hupen noch gelichthupt. Und in diesem ganzen Wahnsinn fährt ein Typ mit dem Fahrrad, telefoniert dabei, seine Frau sitzt seelenruhig im Sari auf dem Gepäcksträger, während buntgeschmückte, stinkende LKWs ein paar cm neben ihrem Ohr vorbeidonnern. Ich sitze mitten in all dem Wahnsinn in meinem Taxi. Aber ich habe keine Angst. Der Verkehr funktioniert so. Alles fließt.
Ich weiß laut Karte, dass die meiste Stecke auf dem Weg von Bagdogra nach Phuntsholingin Bhutan, Highway sein soll. Ich warte die ganze Zeit auf den Highway und frage mich, wann diese Schlaglochpiste, dieses enge Geschaukel auf überfüllter Kleinstraße aufhört. Ich frage den Taxifahrer, wann denn jetzt endlich der Highway kommt. Er sagt, das sei der Highway. Das ist also der Highway. Ab diesem Moment weiß ich, dass es gut ist, im Leben mit allem, wirklich mit allem zu rechnen.
Zwischendurch gibt es halbwegs asphaltierte Teilstücke und nach nach 5 h Fahrt kommen wir in Phuntsholing an der indisch-bhutanischen Grenze an. Das Chaos, nun in kompletter Dunkelheit, nur erleuchtet von den Glühbirnen und Kerzen der Straßenläden, wird wieder dichter. Wir durchfahren ein prächtiges Tor mitten in der Stadt. Ich frage den Fahrer, wo denn die Grenze sei. Er meint, das wäre gerade die Grenze gewesen und fragt, in welches Hotel ich wolle. Ich bin also bereits in Bhutan, in diesem abgeschiedenen, schwer zugänglichen Himalaya-Königreich und habe es nicht mal bemerkt. Der Taxifahrer lässt mich aussteigen. Ich gehe zur Grenze zurück und werde von verwunderten halbwüchsigen Grenzbeamten empfangen, die fragen, woher ich komme. Zum Glück ist auch Tandim da, der mein Visum bereithält, mir einen weißen Gebetsschal umhängt und mich in Bhutan willkommen heißt.

Am nächsten Tag organisieren wir mein Visum, fahren mit einem Motorrikscha durch den indischen Teil der Stadt, wie herrlich. Gerüche und Fahrtwind um uns herum. Der Trubel ganz nah, und wieder alles gleichzeitig. Auf dem bhutanischen Amt genieße ich die bhutanische Beamtenmentalität. Und alle tragen diese wunderschönen traditionellen Gewänder, den Go. Dann geht es mit dem Taxi Richtung Thimphu, hinauf, hinauf in die Berge. Sieben Stunden lang. Die Hauptverbindung zwischen Indien und Bhutan.

Teilweise auch schlimmste Rumpelstraße. Under Construction, erklärt mir Tandim. Das sieht ca. so aus: alle paar hundert Meter arbeitet eine indische Famile an einem Teilstück. Das Teilstück ist ca. einen Meter lang. Entweder macht die Familie gerade Pause, oder sie bildet eine Menschenkette von ca. fünf Personen reicht einen Stein nach dem anderen ca. einen halben Meter vom Rand der Straße weiter, um ihn schließlich den Hang hinunter zu werfen. Fünf Menschen für einen halben Meter. Manchmal schaufelt auch einer, meistens eine Frau, und drei andere sehen dabei zu. Oder sie schaufeln zu zweit. Einer hält die Schaufel. Der andere hilft ihm mittels eines am Schaufelstiel befestigten Seil.

So kommen wir immer weiter in dieses Königreich, halten an einsamen Tschorten, von Gebetsfahnen, Wind und Frieden umgeben, der Blick geht immer in die Ferne, über steile bewaldete Täler hinweg.
Abends erreichen wir Thimpu und ich werde herzlich von Tshering und seiner Familie empfangen.
Ich lasse mich zum Flughafen bringen. Keine gute Idee an diesem Donneratag Vormittag, denn am Autobahnring stecken wir sofort im Stau fest. Die Zeit verinnt, wir kommen kaum voran und mittlerweile ist fast nur noch eine Stunde bis zum Abflug meiner Maschine. Wir verlassen die Autobahn, damit ich auf die S-Bahn wechseln kann, doch dann finden wir uns auf irgendwelchen unbekannten Straßen in Charlottenburg und wissen gar nicht mehr, wie man fahren soll. Ich spüre echte Verzweiflung in mir aufsteigen, kann nicht mehr klar denken und werde panisch. Wir versuchen per Google Maps unseren Weg zu finden. Schließlich eine S-Bahnstation, doch der Zug fährt erst in 6 min. Also der Entschluss, ein Taxi zu nehmen. Der Taxifahrer kennt die Schleichwege und ich komme tatsächlich noch rechtzeitig zum Flughafen. Als ich vom Check-in zum Gate hetze, komme ich am Mann vom Check-in Schalter vorbei, der mich vorhin bedient hat und der gerade auch zum Gate geht. „Lassen Sie sich Zeit, Herr Schmidt“, sagt er gelassen. Ich staune, dass er sich meinen Namen gemerkt hat und hetze weiter.
Lassen Sie sich Zeit, Herr Schmidt“, das soll wohl die Losung dieser Reise sein.
Die Flüge sind angenehm, Turkish Airlines sympathisch, am Flughafen von Delhi genieße ich chillige indische Musik über die Lautsprecher und verliebe mich sofort in die freundliche, kindliche und verspielte Art der Inder. Die Sonne geht schnell auf, scheint durch die riesiegen Flughafenfenster, ich versuche in verschiedenen sitzenden Positionen zu schlafen. Am Flug von Delhi nach Bagdogra tauchen am Horizont hinter den Wolken die Bergketten des Himalaya auf. Ich kann es kaum fassen. Diese entfernten prächtigen schneebedeckten Gipfel sind also der Himalaya. Jetzt bin ich tatsächlich angekommen.

In Bagdogra gibt es keinen Himalaya mehr, nur heiße, feuchte indische Luft, banges Warten auf meinen Rucksack am Gepäcksausgabeband, den Gestank indischer Straßen und Dunst und Staub. Das Taxi führt mich durch endloses indisches Straßengetümmel. Hier passiert alles, überall und gleichzeitig. Ich blicke nur staunend und überwältigt aus dem Taxifenster. Soviel Armut und Schönheit gleichzeitig. Der Verkehr ist einfach nur Wahnsinn. Alles bewegt sich ohne Regel gleichzeitig so eng wie möglich aneinander vorbei und dabei auch noch um die Schlaglöcher herum. Zumindest fahren die Gefährtemeistens links aneinander vorbei, auch wenn sie bis kurz vor dem Ausweichmanöver genau aufeinander zu fahren. Vieles, was man sieht, macht Sinn, wie Männer, die auf der Straße anderen Männern den Bart scheren, Rikschas mit oder ohne Motor, letztere mit bis zu 7 Menschen behängt. Anderes macht keinen Sinn: Ein LKW, der in einem Fluss fährt und dabei bis zur Führerkabine ins Wasser eintaucht. Frauen, die in einem Bus warten, der keine Räder mehr hat. Andere Dinge sind einfach nur unglaublich. Es wird schnell und früh dunkel in Westbengalen, doch der Verkehr wird nicht vorsichtiger. Jetzt wird zusätzlich zum Hupen noch gelichthupt. Und in diesem ganzen Wahnsinn fährt ein Typ mit dem Fahrrad, telefoniert dabei, seine Frau sitzt seelenruhig im Sari auf dem Gepäcksträger, während buntgeschmückte, stinkende LKWs ein paar cm neben ihrem Ohr vorbeidonnern. Ich sitze mitten in all dem Wahnsinn in meinem Taxi. Aber ich habe keine Angst. Der Verkehr funktioniert so. Alles fließt.

Ich weiß laut Karte, dass die meiste Stecke auf dem Weg von Bagdogra nach Phuntsholingin Bhutan, Highway sein soll. Ich warte die ganze Zeit auf den Highway und frage mich, wann diese Schlaglochpiste, dieses enge Geschaukel auf überfüllter Kleinstraße aufhört. Ich frage den Taxifahrer, wann denn jetzt endlich der Highway kommt. Er sagt, das sei der Highway. Das ist also der Highway. Ab diesem Moment weiß ich, dass es gut ist, im Leben mit allem, wirklich mit allem zu rechnen.
Zwischendurch gibt es halbwegs asphaltierte Teilstücke und nach nach 5 h Fahrt kommen wir in Phuntsholing an der indisch-bhutanischen Grenze an. Das Chaos, nun in kompletter Dunkelheit, nur erleuchtet von den Glühbirnen und Kerzen der Straßenläden, wird wieder dichter. Wir durchfahren ein prächtiges Tor mitten in der Stadt. Ich frage den Fahrer, wo denn die Grenze sei. Er meint, das wäre gerade die Grenze gewesen und fragt, in welches Hotel ich wolle. Ich bin also bereits in Bhutan, in diesem abgeschiedenen, schwer zugänglichen Himalaya-Königreich und habe es nicht mal bemerkt. Der Taxifahrer lässt mich aussteigen. Ich gehe zur Grenze zurück und werde von verwunderten halbwüchsigen Grenzbeamten empfangen, die fragen, woher ich komme. Zum Glück ist auch Tandim da, der mein Visum bereithält, mir einen weißen Gebetsschal umhängt und mich in Bhutan willkommen heißt.

Am nächsten Tag organisieren wir mein Visum, fahren mit einem Motorrikscha durch den indischen Teil der Stadt, wie herrlich. Gerüche und Fahrtwind um uns herum. Der Trubel ganz nah, und wieder alles gleichzeitig. Auf dem bhutanischen Amt genieße ich die bhutanische Beamtenmentalität. Und alle tragen diese wunderschönen traditionellen Gewänder, den Go. Dann geht es mit dem Taxi Richtung Thimphu, hinauf, hinauf in die Berge. Sieben Stunden lang. Die Hauptverbindung zwischen Indien und Bhutan.

Teilweise auch schlimmste Rumpelstraße. Under Construction, erklärt mir Tandim. Das sieht ca. so aus: alle paar hundert Meter arbeitet eine indische Famile an einem Teilstück. Das Teilstück ist ca. einen Meter lang. Entweder macht die Familie gerade Pause, oder sie bildet eine Menschenkette von ca. fünf Personen reicht einen Stein nach dem anderen ca. einen halben Meter vom Rand der Straße weiter, um ihn schließlich den Hang hinunter zu werfen. Fünf Menschen für einen halben Meter. Manchmal schaufelt auch einer, meistens eine Frau, und drei andere sehen dabei zu. Oder sie schaufeln zu zweit. Einer hält die Schaufel. Der andere hilft ihm mittels eines am Schaufelstiel befestigten Seil.

So kommen wir immer weiter in dieses Königreich, halten an einsamen Tschorten, von Gebetsfahnen, Wind und Frieden umgeben, der Blick geht immer in die Ferne, über steile bewaldete Täler hinweg.
Abends erreichen wir Thimpu und ich werde herzlich von Tshering und seiner Familie empfangen.
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