Sonntag, 12. Juni 2011
8/9/10. Juni
Anfangs ist es nur heiß. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so eine Hitze erlebt zu haben. Die Feuchtigkeit macht die Hitze zu einer Wand. New York liegt also in den Tropen. Ich verlasse das Taxi in einer Industrielandschaft. Wir sind gerade an der Garage für Müllautos vorbei gefahren. Am Ende der Straße befindet sich eine LKW-Verladerampe. Wo verdammt bin ich hier eigentlich. Parkplatze mit Maschendrahtzaun umrahmt. Betonierte Hitze. Backsteinmauern und niemand zu Hause. Ich hab ihm doch geschrieben, wann ich komme. Er wollte sich extra frei nehmen um mich zu empfangen. Andrew, Andrew, das fängt ja gut an. Ich läute bei den Nachbarn. Mir macht eine schlanke Josephine Baker mit Brille und Baby am Arm auf, das an ihrer Brust herumgrapscht. Die Frau ruft Andrew an, er sei auf dem Weg, sagt sie, in der Zwischenzeit ist der Mann von Josephine Baker erschienen. Er ist ca. zwanzig Jahre älter als sie, heißt Günter, kommt aus Deutschland und ist Fotograf. Er fotografiert gerne farbige nackte Frauen. Zeigt mir Bilder an der Wand. Frauen im Josephine Baker Style mit Bananenröckchen. So hat er auch seien Frau kennengelernt, erfahre ich später.

Günter will nach Berlin. Viele hier wollen nach Berlin auch wenn sie Berlin gar nicht kennen aber Berlin ist anscheinend so etwas wie New York für die Europäer. Ich schwärme dann immer so sehr von Berlin, dass ich mich frage, warum ich eigentlich hier bin. Günter organisiert mir gleich ein paar Treffen mit verschiedenen Theaterschaffenden aus New York, die er im Adressbuch gespeichert hat. Nach fünfzehn Minuten in New York hab ich bereits mein erstes Appointment ausgemacht. Hier hat übrigens jeder ein Smartphone. Nicht so wie in Europa fast jeder sondern jeder!!! Außer mir. Ich trau mich gar nicht, mein kleines Klapphandy raus zu holen.



New Nork ist verdammt sexy, weil die New Yorker verdammt sexy sind, weil sie selbstbewusst sind, ihre Stadt lieben, wissen, dass sie das Zentrum der westlichen Welt sind und dabei total cool sind. Welcome to New York höre ich den ersten Tag ständig. Andy nimmt mich in seinem Jeep auf eine Fahrt durch Williamsburg mit. Wir lassen die Hitze am offenen Fenster vorbeisaußen, hupen und wenden das Auto, als wir eine Frau im kurzen Rock sehen. Es ist eine unserer Nachbarinnen. Wir gehen in eine Bar, das erste Bier in der Stadt krieg ich umsonst von Charlie. „Welcome to New York.“ sagt er und es klingt so schön und gelassen selbstverständlich. Nicht übermäßig stolz. Es ist einfach so, dass er weiß, dass es auf alle Fälle richtig ist, hier zu sein. Weil hier immer alles richtig ist, egal wie es ist. Und kurze Zeit später sitze ich mit so ziemlich all meinen Nachbarn und ein paar anderen Freunden zusammen, vergesse meinen Jetlag, lausche den Gesprächen. Sie reden hier viel über Sex, merke ich, ich habe zumindest noch nie Frauen so oft „my vagina“ sagen gehört. Aber es wundert mich nicht, weil hier eben alles sexy ist. Und mir das nach drei Stunden auch schon normal vorkommt.

Brooklyn ist der kreativste Ort in Amerika, sagt mir Andy. Hier wohnen sie alle und jeder will her wohnen. East Williamsburg. die Industrielandschaft, in der ich wohne, ist eine nämlich eine total angesagte Gegend, der äußerste Außenposten der von Künstlern und Hipstern in Beschlag genommen Gebiete in Brooklyn. Man sieht das am Anfang nicht, doch abends, erkennt man, in welchen Gebäuden die Clubs sind, wenn sich Trauben von abgefahren gekleideten Menschen davor versammeln und man Musik hört aus den Bars, von denen man dachte, dass es Garagen sind. Die ganzen Gebäude hier sind voll Ateliers und Lofts, Wenn man durch die Straßen geht, sieht man gestylte Menschen, die durch diese Industrielandschaft laufen und kapiert gar nicht wo die her kommen und wo die hingehen. Als wären die da aus dem Flieger abgeworfen worden.

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