Montag, 4. Juli 2011
30. Juni/1./2. Juli
Ich hab noch nie so viele tätowierte Menschen gesehen wie in Brooklyn. Fast jeder zweite hier ist tätowiert. Das liegt auch daran, dass Brooklyn auch verdammt jung ist. Ich dachte Berlin sei jung, aber in Brooklyn gibt es überhaupt nur junge Menschen, zumindest in den Hipsterbezirken. Kaum jemand über vierzig. Und jeder will anders aussehen. Deshalb die vielen Tatoos. Man will sich definieren, festschreiben, unterscheiden. Und dabei unverbindlich bleiben. Unsere Generation liebt die Unverbindlichkeit, Hier ist diese Liebe riesengroß. Jeden Abend jongliert man drei bis fünf Verabredungen per SMS herum, (telefonieren tut hier keiner, nur texten), „wo bist du“, „wie es dort“, „vielleicht komm ich vorbei“, was machst du heute“, ich bin vielleicht da und da“. Jeder tippt ständig in sein Smartphone und spinnt ein Netz der Unverbindlichkeiten über die Stadt.


Nein, das ist kein suprematistisches Gemälde sondern das Guggenheimmuseum.



Gestern war ich beim Warm-up im PS1, einer Dependence des MOMA in Queens. Eine überfüllte Massenveranstaltung. Dort lassen sich dann all die individuellen Menschen von Securities herumschieben, anschnauzen, Ausweise kontrollieren, abstempeln, abzocken, mit Bändern versehen. Ich hab mich drei mal richtig mit all den Aufpassern angelegt, weil ich mich nicht anmachen lassen wollte, als wär ich in der U.S. Army. An jeder Ecke Museumspersonal, Security, NY-Firedepartment. Dieses Land ist bald am Boden, weil niemand eigenständig handelt sondern wie eine Maschine Anweisungen erfüllt. Die kritische Masse ist hier so gering. Selbst in einer aufgeschlossenen Stadt wie New York. Ich will gar nicht wissen, wies im Rest des Landes aussieht. Wir sind dann bald mit ein paar anderen Typen abgezogen, die aussahen, als wären sie eine Band und auch tatsächlich eine Band waren. Sie haben den Wahnsinn auch nicht mehr ausgehalten. Bei ihnen zu Hause im Studio unglaubliche Session gespielt, abends weiter gezogen, lange Nacht...



Vor drei Tagen wieder unglaublich gutes Theater gesehen. Meine Theatererlebnisse werden nach einem schwachen Start immer positiver. Ein Stück über den Ausbruch der AIDS-Epedemie Anfang der 80er in New York mit Ellen Barkin und Joe Mantello in den Hauptrollen. Ich hab noch nie so viele freie und souveräne Spieler auf einmal gesehen. Der Bühnenraum war stark reduziert, das Spiel brilliant. Die Zurückhaltung der Regie hier hat auch eindeutige Vorteile. Doch um interessante Regiearbeiten zu sehen, muss man nach Europa.

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