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Freitag, 22. Oktober 2010
14/15/16/17/18/19. Oktober
volce, 23:26h
Ich bin angekommen. Ich bin da gelandet, wovon ich immer geträumt habe. Ein weites Tal. Bergketten in der Ferne. Überm Tal an den Hang geschmiegt ein altes Kloster. Mehrere Tempel , darüber ein Berg, Felswände. Weiter Blick. Klare Luft. Mönche in roten Gewändern. Stille und Frieden. Hier im Kloster werde ich die nächsten zwei Tage verbringen. Meditieren. Nachdenken. Schreiben.

Soviel habe ich erlebt in den letzten Tagen. Eine Reise durch eine andere Zeit, ein anderes Land, eine andere Welt. Mit mir fährt Tandim, ein Schauspieler aus dem Happy Valley Theatre.
Die Fahrt von Thimphu nach Chamkar (Bhumthang) hat nicht zehn sondern zwölf Stunden gedauert. Das lag auch an den Road Blocks. Da sperren sie einfach mal die Straße für ein oder zwei Stunden, um Bauarbeiten durchzuführen. Die Hauptverbindung durch Bhutan wird einfach mehrmals am Tag gesperrt. So als würde man die Autobahn von Berlin nach Hamburg oder von Wien nach Salzburg einfach mal so sperren. Ohne Ausweichmöglichkeit. Der Vergleich hinkt natürlich an allen Ecken und Enden, da die Autobahn hier, der Highway durch Bhutan, nur Highway heißt, weil er sehr high gelegen ist und immer schön high über dem Tal entlanggeht und alle ständig Doma kauen inkl. dem Busfahrer und deshalb auch immer schön high sind. Sonst ist der Highway eine kleine meistens asphaltierte Straße mit wenig Verkehrsaufkommen (ideale Wohnlage, ruhig, mit Fernblick), auf dem sich an den meisten Stellen zwei Autos ganz ordentlich aneinander vorbei zwängen können. Weiters wird der Highway von Fußgängern, Fuhrwerken, Pferden, Hunden und vor allem Kühen genutzt, die so etwas wie die Autobahnblockierer von Bhutan sind.
Also 12 h Schaukelfahrt (inkl Pausen) mit maximal 200 m gerader Strecke, der Busfahrer spielt seinen MP3-Player rauf und runter, meistens bhutanische Musik, Bollywood und ein paar Westmusikeinsprengsel. In der Dunkelheit kommen wir in Chamkar an. Hier ist auch der Tourismus angekommen. Es gibt eine Menge Guesthouses, Hotels und Lodges aller Kategorien. Unser Guesthoue ist schlicht aber gut ausgestattet. Warmes Wasser, Sitzklo, richtige Dusche mit Duschkopf (yeah!!)

In Jakar, dem Dzong von Chamkar, läuft gerade ein Festival. Dzong bedeutet eine Mischung aus Festung, Tempel, und administrativem Hauptsitz des jeweiligen Landesteiles. Der Jakar-Dzong geht auf das 16. Jahrhundert zurück. Massive weiße Mauern, steile Holztreppen, mächtige bemalte Holztüren; das alles ist kein Museum sondern der noch immer genutzte Verwaltungshauptsitz. Da man die Dzongs nur in traditioneller Kleidung betreten darf, kommt man sich wie in einer Kulisse zu einem Kostümfilm vor.
Festival bedeutet, dass sich alles im Hof eines Dzongs oder sonst wo trifft und den ganzen Tag Maskentänze, traditionelle Tänze und andere Darbietungen sieht. Zu Mittag wird das Lunchpaket ausgepackt (natürlich Reis und Tee), während sich auf dem Tanzplatz die Mönche mit Masken einen Kampf Gut gegen Böse liefern.
Es geht immer um den Kampf Gut gegen Böse. Die Dämonen müssen beschwichtigt werden, müssen verführt, gezähmt, verjagt oder getötet werden. Daher die schreckenerregenden Masken. Sie sollen schreckenerregend für die Dämonen sein. Die Etablierung der Religion und Zivilisation besteht aus der Vertreibung und Bezähmung der Dämonen. Im Jampa-Lakhang, einem Kloster, das im neunten Jahrhundert vom tibetischen König Songtsen Gampo gegründet wurde, zeigt mir ein Mönch eine Landkarte in der Form einer gewaltigen Dämonin. Jener König hat auf allen neuralgischen Punkten der Dämonin insgesamt 108 Tempel errichten lassen, um die Dämonin zu bezwingen. Das Kloster ist beindruckend durch sein hohes Alter. Es steht am linken Fuß der Dämonin. Wenn die Dämonin erwacht, sagt der Mönch, ist alles aus. Vorsichtig verlasse ich das Gebäude.
Nach zwei Tagen in Chamkar fahren wir ins nächste Tal, nach Ura. Es regnet immer wieder. In Ura besuchen wir Tashi, eine Freundin einer Freundin, die mit ihrer Familie gerade bei der Kartoffelernte ist, schnell vom Feld gelaufen kommt und uns rasch aber herzlich begrüßt. Ura ist ein interessantes Dorf, da es fast nur bäuerliche Bevölkerung aufweist. Gleichzeitig kommen viele Politiker und Denker aus diesem Dorf. Tashi ist genau deshalb eine interessante Frau. Weltoffen und gebildet mit vielen einflussreichen Freunden und gleichzeitig Bäuerin in einem Bauerndorf.
Wir spazieren durch das Dorf, unasphaltierte Straßen, überall Hunde und Kühe, sogar auf dem Hof des Tempels. Hier ist alles dem Bauerntum untergeordnet. Abends, nachdem die Familie vom Feld zurückgekehrt ist, verbringen wir einen wunderbaren Abend am Küchenboden. Die Kinder bereiten alleine ein köstliches Essen zu, während Tashi anderen Erledigungen nachgeht. Die Frau ist ständig beschäftigt, redet viel, lacht viel. Ihr Mann ist für Bauarbeiten in Chamkar unterwegs. Nach dem Essen schauen wir auf meinem kleinen Computer den Animationsfilm „Up“ an, den einzigen Film den ich am Rechner habe. Dabei schläft die Familie glücklich zusammengekuschelt vor dem Ofen ein.

Tags darauf brechen wir frühmorgens ins Wang-Tal auf. Dort hat die Familie von Dechen, der Dokumetarfilmerin aus Thimphu ein Schloss. Der Weg führt eine Stunde lang über eine rumplige Schotterstraße, dann muss man einen sich einen schlammigen Weg (es regnet jeden Tag) bergauf kämpfen. Das Schloss ist ein kleines Paradies. Im Hauptturm hat die Familie ein interessantes Museum über das frühere Leben im Wangtal einerichtet. Bis zur Modernisierung Bhutans in den 60er Jahren gab es eine Art Feudalsystem, die Bewohner des Schlosses waren also eine Art Landadelige. Einmal im Jahr veranstaltet die Familie vor dem Tempel ein kleines Festival für die Bevölkerung des Tales. Dabei treten die Bewohner in alten historischen Kostümen auf, führen ihre Tiere um den Tempel herum und wohnen alten Kriegstänzen bei. Ich fühle mich wieder wie in einer anderen Zeit , als auf einmal der Zug der Kostümierten und Tiere aus dem Nebel auftaucht. Am Nachmittag durfte ich der Zeremonie im Tempel beiwohnen. Man sitzt am Boden, bis die Beine schmerzen. Die Mönche beten Sutren, immer wieder wird getrommelt und geblasen. Das Ganze ist anstrengend aber beeindruckend. Dann kriegt man Teller mit Essen aufgetischt und darf essen. Dazwischen wirft man mit Reis in die Runde wie bei einer Hochzeit.

Und nun bin ich in Tarperling bei den Mönchen, bewohne ein kleines Guesthouse mit Blick über das Tal, unterhalb das glänzende Dach des Tempels. Morgens stehe ich um halb sechs auf, gehe in den Tempel zur Morgenmeditation. Heute machten wir eine Tour auf den Berg. Eine schöne Tour über weite Wiesen und sanfte Grade, keine Extremtour aber immerhin mein höchster Berg mit 4000m. Wir haben Glück mit dem Wetter. Die Wolken bleiben von unserem Berg fern. Es scheint fast immer die Sonne. Erst nach unserer Rückkehr fängt es zu regnen an. Ich gehe in den Tempel zur Nachmittagsmeditation. Als ich ihn verlasse, hat es zu regnen aufgehört. Ich setze mich auf die Treppen zu meinem Guesthouse. Alles ist wie verwandelt, blinkt und glitzert in der Sonne. Ich setze mir die Kopfhörer auf und höre Gabarek/Hilliardensemble „Officium“. Die Dächer glänzen im Sonnenlicht, das am Horizont durch die Wolken bricht, die Wiesen glitzern. die Berghänge leuchten, in der Ferne schneebedeckte Berge, darüber steht der Mond. .Durch die Meditation habe ich einen reinen Geist und kann alles in mich aufnehmen. Es ist, als offenbarte sich mir die innere Natur aller Dinge Es ist ein Moment unendlichen Glücks. Und ich begreife: Glück ist, wenn Sehnsucht und Augenblick eins werden. Als die Sonne hinter den Wolken verschwindet, ist das Zauberspiel vorbei. Doch die Erinnerung bleibt.


Soviel habe ich erlebt in den letzten Tagen. Eine Reise durch eine andere Zeit, ein anderes Land, eine andere Welt. Mit mir fährt Tandim, ein Schauspieler aus dem Happy Valley Theatre.
Die Fahrt von Thimphu nach Chamkar (Bhumthang) hat nicht zehn sondern zwölf Stunden gedauert. Das lag auch an den Road Blocks. Da sperren sie einfach mal die Straße für ein oder zwei Stunden, um Bauarbeiten durchzuführen. Die Hauptverbindung durch Bhutan wird einfach mehrmals am Tag gesperrt. So als würde man die Autobahn von Berlin nach Hamburg oder von Wien nach Salzburg einfach mal so sperren. Ohne Ausweichmöglichkeit. Der Vergleich hinkt natürlich an allen Ecken und Enden, da die Autobahn hier, der Highway durch Bhutan, nur Highway heißt, weil er sehr high gelegen ist und immer schön high über dem Tal entlanggeht und alle ständig Doma kauen inkl. dem Busfahrer und deshalb auch immer schön high sind. Sonst ist der Highway eine kleine meistens asphaltierte Straße mit wenig Verkehrsaufkommen (ideale Wohnlage, ruhig, mit Fernblick), auf dem sich an den meisten Stellen zwei Autos ganz ordentlich aneinander vorbei zwängen können. Weiters wird der Highway von Fußgängern, Fuhrwerken, Pferden, Hunden und vor allem Kühen genutzt, die so etwas wie die Autobahnblockierer von Bhutan sind.
Also 12 h Schaukelfahrt (inkl Pausen) mit maximal 200 m gerader Strecke, der Busfahrer spielt seinen MP3-Player rauf und runter, meistens bhutanische Musik, Bollywood und ein paar Westmusikeinsprengsel. In der Dunkelheit kommen wir in Chamkar an. Hier ist auch der Tourismus angekommen. Es gibt eine Menge Guesthouses, Hotels und Lodges aller Kategorien. Unser Guesthoue ist schlicht aber gut ausgestattet. Warmes Wasser, Sitzklo, richtige Dusche mit Duschkopf (yeah!!)

In Jakar, dem Dzong von Chamkar, läuft gerade ein Festival. Dzong bedeutet eine Mischung aus Festung, Tempel, und administrativem Hauptsitz des jeweiligen Landesteiles. Der Jakar-Dzong geht auf das 16. Jahrhundert zurück. Massive weiße Mauern, steile Holztreppen, mächtige bemalte Holztüren; das alles ist kein Museum sondern der noch immer genutzte Verwaltungshauptsitz. Da man die Dzongs nur in traditioneller Kleidung betreten darf, kommt man sich wie in einer Kulisse zu einem Kostümfilm vor.
Festival bedeutet, dass sich alles im Hof eines Dzongs oder sonst wo trifft und den ganzen Tag Maskentänze, traditionelle Tänze und andere Darbietungen sieht. Zu Mittag wird das Lunchpaket ausgepackt (natürlich Reis und Tee), während sich auf dem Tanzplatz die Mönche mit Masken einen Kampf Gut gegen Böse liefern.
Es geht immer um den Kampf Gut gegen Böse. Die Dämonen müssen beschwichtigt werden, müssen verführt, gezähmt, verjagt oder getötet werden. Daher die schreckenerregenden Masken. Sie sollen schreckenerregend für die Dämonen sein. Die Etablierung der Religion und Zivilisation besteht aus der Vertreibung und Bezähmung der Dämonen. Im Jampa-Lakhang, einem Kloster, das im neunten Jahrhundert vom tibetischen König Songtsen Gampo gegründet wurde, zeigt mir ein Mönch eine Landkarte in der Form einer gewaltigen Dämonin. Jener König hat auf allen neuralgischen Punkten der Dämonin insgesamt 108 Tempel errichten lassen, um die Dämonin zu bezwingen. Das Kloster ist beindruckend durch sein hohes Alter. Es steht am linken Fuß der Dämonin. Wenn die Dämonin erwacht, sagt der Mönch, ist alles aus. Vorsichtig verlasse ich das Gebäude.

Nach zwei Tagen in Chamkar fahren wir ins nächste Tal, nach Ura. Es regnet immer wieder. In Ura besuchen wir Tashi, eine Freundin einer Freundin, die mit ihrer Familie gerade bei der Kartoffelernte ist, schnell vom Feld gelaufen kommt und uns rasch aber herzlich begrüßt. Ura ist ein interessantes Dorf, da es fast nur bäuerliche Bevölkerung aufweist. Gleichzeitig kommen viele Politiker und Denker aus diesem Dorf. Tashi ist genau deshalb eine interessante Frau. Weltoffen und gebildet mit vielen einflussreichen Freunden und gleichzeitig Bäuerin in einem Bauerndorf.
Wir spazieren durch das Dorf, unasphaltierte Straßen, überall Hunde und Kühe, sogar auf dem Hof des Tempels. Hier ist alles dem Bauerntum untergeordnet. Abends, nachdem die Familie vom Feld zurückgekehrt ist, verbringen wir einen wunderbaren Abend am Küchenboden. Die Kinder bereiten alleine ein köstliches Essen zu, während Tashi anderen Erledigungen nachgeht. Die Frau ist ständig beschäftigt, redet viel, lacht viel. Ihr Mann ist für Bauarbeiten in Chamkar unterwegs. Nach dem Essen schauen wir auf meinem kleinen Computer den Animationsfilm „Up“ an, den einzigen Film den ich am Rechner habe. Dabei schläft die Familie glücklich zusammengekuschelt vor dem Ofen ein.

Tags darauf brechen wir frühmorgens ins Wang-Tal auf. Dort hat die Familie von Dechen, der Dokumetarfilmerin aus Thimphu ein Schloss. Der Weg führt eine Stunde lang über eine rumplige Schotterstraße, dann muss man einen sich einen schlammigen Weg (es regnet jeden Tag) bergauf kämpfen. Das Schloss ist ein kleines Paradies. Im Hauptturm hat die Familie ein interessantes Museum über das frühere Leben im Wangtal einerichtet. Bis zur Modernisierung Bhutans in den 60er Jahren gab es eine Art Feudalsystem, die Bewohner des Schlosses waren also eine Art Landadelige. Einmal im Jahr veranstaltet die Familie vor dem Tempel ein kleines Festival für die Bevölkerung des Tales. Dabei treten die Bewohner in alten historischen Kostümen auf, führen ihre Tiere um den Tempel herum und wohnen alten Kriegstänzen bei. Ich fühle mich wieder wie in einer anderen Zeit , als auf einmal der Zug der Kostümierten und Tiere aus dem Nebel auftaucht. Am Nachmittag durfte ich der Zeremonie im Tempel beiwohnen. Man sitzt am Boden, bis die Beine schmerzen. Die Mönche beten Sutren, immer wieder wird getrommelt und geblasen. Das Ganze ist anstrengend aber beeindruckend. Dann kriegt man Teller mit Essen aufgetischt und darf essen. Dazwischen wirft man mit Reis in die Runde wie bei einer Hochzeit.

Und nun bin ich in Tarperling bei den Mönchen, bewohne ein kleines Guesthouse mit Blick über das Tal, unterhalb das glänzende Dach des Tempels. Morgens stehe ich um halb sechs auf, gehe in den Tempel zur Morgenmeditation. Heute machten wir eine Tour auf den Berg. Eine schöne Tour über weite Wiesen und sanfte Grade, keine Extremtour aber immerhin mein höchster Berg mit 4000m. Wir haben Glück mit dem Wetter. Die Wolken bleiben von unserem Berg fern. Es scheint fast immer die Sonne. Erst nach unserer Rückkehr fängt es zu regnen an. Ich gehe in den Tempel zur Nachmittagsmeditation. Als ich ihn verlasse, hat es zu regnen aufgehört. Ich setze mich auf die Treppen zu meinem Guesthouse. Alles ist wie verwandelt, blinkt und glitzert in der Sonne. Ich setze mir die Kopfhörer auf und höre Gabarek/Hilliardensemble „Officium“. Die Dächer glänzen im Sonnenlicht, das am Horizont durch die Wolken bricht, die Wiesen glitzern. die Berghänge leuchten, in der Ferne schneebedeckte Berge, darüber steht der Mond. .Durch die Meditation habe ich einen reinen Geist und kann alles in mich aufnehmen. Es ist, als offenbarte sich mir die innere Natur aller Dinge Es ist ein Moment unendlichen Glücks. Und ich begreife: Glück ist, wenn Sehnsucht und Augenblick eins werden. Als die Sonne hinter den Wolken verschwindet, ist das Zauberspiel vorbei. Doch die Erinnerung bleibt.

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Donnerstag, 14. Oktober 2010
11/12/13. Oktober
volce, 00:59h
Morgen fahre ich für über eine Woche aufs Land nach Bhumthang, angeblich die schönste Gegend in Bhutan. Alles ist gepackt, die Bustickets gekauft. Zehn Stunden Fahrt für 270 km.
Wir haben nun beschlossen, ein Theaterstück aufzuführen. Da es in Bhutan keine Theaterstücke gibt, schreibe ich eines. Es ist nach einer alten, allen bekannten überlieferten Geschichte, heißt Gasa Lami Synge und ist so eine Art „Kabale und Liebe“ auf bhutanisch. Es ist Schwerstarbeit, den Spielern hier Bühnenkonzentration, Pünktlichkeit und disziplinierte Probenarbeit beizubringen. Doch sie wollen unbedingt spielen, auch wenn sie eine halbe Stunde oder einen halben Tag zu spät kommen. Manche von ihnen sind richtig gut. Ich werde das Stück auf der Reise durch Bhumthang fertigstellen, nach meiner Rückkehr wird drei Tage weitergeprobt und am 25. gibt’s die Aufführung – hoffentlich.

Vor zwei Tagen hatte ich meine Zivilisationskrise. Nach der ersten Anfangseuphorie darüber, dass alles anders ist, merkte ich doch, dass ich gerne mehr meine gewohnte Lenbensweise führen würde. Ich war also einen Tag lang ziemlich ungehalten und alles hat mich genervt. Das Chilli, das Mit-den-Fingern-Essen, der Domageruch, die Langsamkeit und Unprofessionlaität. Doch jetzt bin selbst wieder entspannt und merke, dass es durchaus von Vorteil ist, wenn keiner in der Nähe ist, der einen stresst. Also macht es auch wenig Sinn, sich selbst zu stressen.
So laufe ich durch die Stadt im Dämmerlicht des Abends, treffe auf der Straße oder im Cafe Bekannte, man hat Zeit. Wir plaudern mit Straßenkindern, die uns einen jungen Hund verkaufen wollen. Der Abend ist lau. Heitere Stimmen. Strahlende Kinderaugen.
Wir haben nun beschlossen, ein Theaterstück aufzuführen. Da es in Bhutan keine Theaterstücke gibt, schreibe ich eines. Es ist nach einer alten, allen bekannten überlieferten Geschichte, heißt Gasa Lami Synge und ist so eine Art „Kabale und Liebe“ auf bhutanisch. Es ist Schwerstarbeit, den Spielern hier Bühnenkonzentration, Pünktlichkeit und disziplinierte Probenarbeit beizubringen. Doch sie wollen unbedingt spielen, auch wenn sie eine halbe Stunde oder einen halben Tag zu spät kommen. Manche von ihnen sind richtig gut. Ich werde das Stück auf der Reise durch Bhumthang fertigstellen, nach meiner Rückkehr wird drei Tage weitergeprobt und am 25. gibt’s die Aufführung – hoffentlich.

Vor zwei Tagen hatte ich meine Zivilisationskrise. Nach der ersten Anfangseuphorie darüber, dass alles anders ist, merkte ich doch, dass ich gerne mehr meine gewohnte Lenbensweise führen würde. Ich war also einen Tag lang ziemlich ungehalten und alles hat mich genervt. Das Chilli, das Mit-den-Fingern-Essen, der Domageruch, die Langsamkeit und Unprofessionlaität. Doch jetzt bin selbst wieder entspannt und merke, dass es durchaus von Vorteil ist, wenn keiner in der Nähe ist, der einen stresst. Also macht es auch wenig Sinn, sich selbst zu stressen.
So laufe ich durch die Stadt im Dämmerlicht des Abends, treffe auf der Straße oder im Cafe Bekannte, man hat Zeit. Wir plaudern mit Straßenkindern, die uns einen jungen Hund verkaufen wollen. Der Abend ist lau. Heitere Stimmen. Strahlende Kinderaugen.
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9/10. Oktober
volce, 00:58h
Ich lebe mich langsam in Thimphu ein. Am Wochenende gab es keine Workshops, also blieb mehr Zeit die Stadt zu erkunden. Freitagabend war ich mit Dechen, einer Dokumentarfilmerin und ihrem Freund Pema, einem Maler, das Nachtleben erkunden. Zuerst in einer Bar namens Benez mit gutem preiswertem Essen, ausgezeichnetem schweizerisch-bhutanischem Bier vom Fass, Raucherbalkon, und vielen Westlern. Die meisten von ihnen waren schon ziemlich betrunken. Englischlehrer aus den USA, („This is Shangri-La, you will see“) ein britischer Journalist, der mit Dechen lallend eine Diskussion über das Zeitungswesen in Bhutan führte. Dieselben Typen trafen wir dann in der Karaoke-Bar gegenüber, wo gemeinsam gesungen und getrunken wurde. Anschließend ging es ins Space 23, einer von drei Dancefloors in einem Gebäude am Sportstadium. Die Musik war sehr tanzbar, das Interieur einfach aber in Ordnung. Ich glaube ich habe noch nie eine so betrunkene Tanzfläche gesehen. Subjektiv gesehen hat nur der Boden geschwankt. Um zwei muss hier alles dicht sein, deshalb bleibt nicht viel Zeit, den gewünschten Alkoholpegel zu erreichen. Die Alkoholkontrollen für Autofahrer sind wohl nicht so streng. (“as long you can drive they won’t control”)
Thimphu hat eine Menge netter Cafes mir richtig gutem ground coffee, Wi-Fi und stilvoller Einrichtung. Vor allem die Kuchen hier sind ausgezeichnet. Ob in der Seasons Pizzeria, im Ambient Cafe oder der Swiss Bakery. Es liegt wohl auch an den organischen Zutaten und der guten Milch, dass ich das Gefühl habe hier die besten Kuchen meines Lebens zu essen.
So schlendere ich durch das sonntägliche Getümmel der Stadt (die meisten Geschäfte haben auch sonntags offen), genieße die vielen Eindrücke, Gerüche und Farben. Rotegewandete Mönche, hellgelbe Saris der Inderinnen, Schmutzverschmierte Hauswände und enge Einkaufspassagen, Körbe voller Früchte und Gemüse.
Am Nachmittag gönne ich mir eine Massage im besten Spa der Stadt. Die Sauna allerdings schafft es vielleicht auf gerade mal fünfzig Grad. Relaxation day in Thimphu town.
Thimphu hat eine Menge netter Cafes mir richtig gutem ground coffee, Wi-Fi und stilvoller Einrichtung. Vor allem die Kuchen hier sind ausgezeichnet. Ob in der Seasons Pizzeria, im Ambient Cafe oder der Swiss Bakery. Es liegt wohl auch an den organischen Zutaten und der guten Milch, dass ich das Gefühl habe hier die besten Kuchen meines Lebens zu essen.
So schlendere ich durch das sonntägliche Getümmel der Stadt (die meisten Geschäfte haben auch sonntags offen), genieße die vielen Eindrücke, Gerüche und Farben. Rotegewandete Mönche, hellgelbe Saris der Inderinnen, Schmutzverschmierte Hauswände und enge Einkaufspassagen, Körbe voller Früchte und Gemüse.
Am Nachmittag gönne ich mir eine Massage im besten Spa der Stadt. Die Sauna allerdings schafft es vielleicht auf gerade mal fünfzig Grad. Relaxation day in Thimphu town.
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Freitag, 8. Oktober 2010
7/8. Oktober
volce, 22:33h

Heute machten wir einen Ausflug zum Tango-Kloster. Zuerst fährt man eine halbe Stunde mit dem Auto von Thimphu, bis die Straße endet. Danach wanderten wir durch Regen und Nebel durch einen wunderschönen Wald den Berg hinan. Das Kloster ist eng an den Hang geschmiegt, ein Ort der Ruhe und des Friedens über allen Wellen des Lebens gelegen. Nur umgeben von Wolken und Wald. Wie gerne wäre ich bei den Mönchen geblieben und hätte ihrem Leben beigewohnt. Wie weit entfernt der Schein der Welt ist. Wie weit enfernt auch von mir in diesem Moment. Ich denke an das ferne Leben, an das Leben, das wir leben wollen sollen, von dem die Mönche teilweise wohl gar keine Ahnung haben. Ob ich auf alles verzichten könnte um hier zu leben. Oder ist es nur Romantizismus, da ich weiß, ich werde ohnehin wieder in meine Welt zurückkehren.

Ich sitze auf den Treppen eines kleinen Höhlentempels abseits des Klosters, blicke über Felsen, Wolken und Wald. Dieser Ort ist definitiv anders. Dieser Ort ist einfach klar. Macht einen klar. Ich möchte nicht mehr fort von hier. Doch neben mir sitzt mein Begleiter, ein Neffe von Yangshen, Tsherings Frau. Und wundert sich, worauf ich warte und blickt mich an. Also Aufbruch hinab ins Tal. Regenwanderung an angeschwollen Bergbächen entlang. Rückkehr in die Stadt.

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Donnerstag, 7. Oktober 2010
4/5/6. Oktober
volce, 19:06h
Drei Tage Theaterworkshop in Bhutan. In einem Land, in dem es keine Theatertradition in unserem Sinne gibt. Nur religiöse Gesänge und Tänze. Die Gruppe macht sich gut. Sie sind auf alle Fälle motiviert und voll bei der Sache. Bhutaner sind oft sehr schüchtern, was für das Schauspiel nicht die beste Grundvorraussetzung ist. Bhutaner sind insgesamt viel zurückhaltender als Westler. Wenn die Gruppe auftritt, wird sie regelmäßig gefragt, ob sie Drogen genommen hätten oder betrunken wären, da es sehr ungewöhnlich ist, sich öffentlich so zu verhalten wie man es eben auf der Bühne tut. Konventionen zu überschreiten und Höflichkeitsformeln und Zurückhaltung abzulegen. Einige Mitglieder des Happy Valley Theatre sind wirklich begabt begabt (und es ist wirklich schade, dass sie keine professionellenEntfaltungsmöglichkeiten haben). Vor allem die, die eher – sagen wir mal – ungepflegt herum laufen, und viel trinken. Doch Sauberkeit ist hier sowieso nicht ganz groß angesagt. Auf den ersten Blick erschien mir alles unglaublich sauber, der Eindruck entstand wohl auch, weil ich gerade aus Indien gekommen war. Doch wenn man in die Seitengassen blickt, sieht man den Dreck herum liegen, die Gläser und Tische in manchen Restaurants sind von einem Schmutzfilm überzogen oder blind, die Toiletten sind ein Graus, die Menschen spucken viel, rotzen, schlürfen und schniefen, spucken meist aus, wenn sie Doma im Mund haben, die Betelnuss, die hier fast jeder kaut. Das Ding stinkt furchtbar, schmeckt furchtbar, macht den Kopf benebelt, und die Straßen dreckig, weil die Spucke davon rot gefärbt wird und die Farbe nicht mehr von der Straße geht. Weil ich gerade dabei bin, mich zu beschweren: Die Hunde nerven auch unendlich. Am Tag laufen sie einem ständig im Weg herum, nachts bellen sie die ganze Zeit. Es ist wie ein Gebellglocke, die über der ganzen Stadt hängt und erst in den frühen Morgenstunden verschwindet. Das wars aber schon mit dem Aufregen. Außerdem ist ohnehin völlig egal, was ich für eine Meinung über die Dinge habe. Es ändert nichts. Meinungen ändern nichts.

Ich bewundere noch immer die Gelassenheit der Menschen hier. Tshering erfährt am Telefon, dass er in einer halben Stunde ein Konzert eines indischen Musikers am Hauptplatz von Thimphu moderieren soll. Er bleibt völlig gelassen und macht es einfach. Es gibt nicht viel zu gewinnen und nicht zu verlieren. Da es wenig Ehrgeiz gibt, gibt es auch wenig Egoismus. Es wird viel gemeinschaftlicher gedacht. Oder andersherum: weil es keinen Egoismus gibt, gibt es keinen Ehrgeiz. Das hat zwei Seiten. Die Menschen sind einerseits entspannter, man hat hier kaum schlechte Laune, weil es nicht dieses aufgeblasene Ego gibt, das etwas erreichen will. Andererseits sind die Dinge einfach oft ohne Qualität, wie das Fernsehen, oder die Tontechnik bei einem Live-Konzert, die Straßenqualität, etc. Oder mache Dinge gibt es gar nicht oder nur rudimentär, wie Theater, gute Filme, Musikunterricht, künstlerische Ausbildungen, etc. Aber es gäbe den Königsweg, diese Dinge zu verbinden. Großes zu schaffen und gleichzeitig gemeinschaftlich zu denken.
Die Bhutaner sind im Umgang miteinander viel härter und direkter. Tshering stellt mit seine Theatergruppe vor, und sagt vor den Betroffenen jeweils Dinge, die bei uns unmöglich wären. Die eine ist etwas dicker und wird von allen Karma Feed genannt, was ein Kraftfutter für Kühe ist. Den anderen stellt er mir als Alkoholiker vor, beim nächsten sagt er, er hätte zehn Freundinnen. Hier gibt es keine falsche Verschwiegenheit. Als ich Tshering darauf anspreche und sage, bei uns wäre es unmöglich, diese Dinge so offen vor den Betroffenen zu sagen, meint er, dass das normal sei und diese äußeren Dinge auch sekundär wären.

Ich bewundere noch immer die Gelassenheit der Menschen hier. Tshering erfährt am Telefon, dass er in einer halben Stunde ein Konzert eines indischen Musikers am Hauptplatz von Thimphu moderieren soll. Er bleibt völlig gelassen und macht es einfach. Es gibt nicht viel zu gewinnen und nicht zu verlieren. Da es wenig Ehrgeiz gibt, gibt es auch wenig Egoismus. Es wird viel gemeinschaftlicher gedacht. Oder andersherum: weil es keinen Egoismus gibt, gibt es keinen Ehrgeiz. Das hat zwei Seiten. Die Menschen sind einerseits entspannter, man hat hier kaum schlechte Laune, weil es nicht dieses aufgeblasene Ego gibt, das etwas erreichen will. Andererseits sind die Dinge einfach oft ohne Qualität, wie das Fernsehen, oder die Tontechnik bei einem Live-Konzert, die Straßenqualität, etc. Oder mache Dinge gibt es gar nicht oder nur rudimentär, wie Theater, gute Filme, Musikunterricht, künstlerische Ausbildungen, etc. Aber es gäbe den Königsweg, diese Dinge zu verbinden. Großes zu schaffen und gleichzeitig gemeinschaftlich zu denken.
Die Bhutaner sind im Umgang miteinander viel härter und direkter. Tshering stellt mit seine Theatergruppe vor, und sagt vor den Betroffenen jeweils Dinge, die bei uns unmöglich wären. Die eine ist etwas dicker und wird von allen Karma Feed genannt, was ein Kraftfutter für Kühe ist. Den anderen stellt er mir als Alkoholiker vor, beim nächsten sagt er, er hätte zehn Freundinnen. Hier gibt es keine falsche Verschwiegenheit. Als ich Tshering darauf anspreche und sage, bei uns wäre es unmöglich, diese Dinge so offen vor den Betroffenen zu sagen, meint er, dass das normal sei und diese äußeren Dinge auch sekundär wären.
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Dienstag, 5. Oktober 2010
3. Oktober
volce, 02:18h
Ich bin froh, entspannt, gelassen. Nur meine Müdigkeit macht mir zu schaffen. Ich muss mich oft aufraffen, all das Neue und Fremde um mich herum wirklich wahrzunehmen. Es ist wohl die Seehöhe, auf der ich mich befinde und die Tatsache, dass ich seit Tagen keinen Kaffee mehr getrunken habe. Ich rauche auch nicht mehr. Rauchen ist nämlich in Bhutan verboten und ich komme mir schäbig vor, immer bei den Schwarzmarktdealern Zigaretten zu besorgen. Ich esse kaum Fleisch, nur organisches Gemüse (was anderes gibt es hier nicht), vor allem Reis mit Chili und Käse, genannt Hemadatzi, das bhutanische Nationalgericht . Alles in allem lebe ich so gesund wie seit meiner Kindheit nicht mehr. Nur die Sache mit dem Kaffee wäre klärenswert. Als ich meinen Gastgebern von meiner Müdigkeit erzähle (sie habens sowieso gemerkt bei meinem Schlafpensum) bieten sie sofort an, mir Kaffee zu kaufen und zum Frühstück zuzubereiten. Nescafe natürlich. Was anderes kennen die hier nicht. Do you also have real coffee in Bhutan? - Real coffee, is this a brand? – No, real coffee is real coffee. Nescafe isn’t real coffee. Naja, es wurde doch Nescafe. Immerhin.

Heute war ein herrlicher Tag. Zuerst waren wir im Tempel, weil ein buddhistischer Feiertag war und weil der Sohn von Tshering zu seinem dreimonatigen Geburtstag vom Mönch gesegnet wurde. Danach haben wir eine wunderbare Zeit bei der Tante von Tsherings Frau verbracht. Ihr Mann ist Sergeant bei der bhutanischen Armee. Deshalb wohnt er mit seiner Familie am Militärgelände. Die Miltiärangehörigen wohnen nebeneinander in langgestreckten Häuserzeilen. Es gibt eine Wohnzeile und gegenüber eine Küchenzeile. Rechtwinkelig dazu am Ende der beiden Zeilen gibt es noch die Klozeile. Jede Familie hat zwei kleine Zimmer. Die Tante hat mit ihrem Mann und fünf Söhnen darin gewohnt. Drei sind jetzt schon ausgezogen. Die Familien erhalten kostenlos Wohnung, Strom, Wasser, sowie einen kleine Garten, den sie selbst bestellen können. Eigentlich wie im idealen Kommunismus. Man hat wenig aber genug. Es ist herrlich dort. Nachdem ich Reis mit Chili und getrocknetem Schweinefleisch verdrückt mache, durchstreife ich die Siedlung, fotografiere Kinder - es werden immer mehr. Immer mehr wollen fotografiert werden. Ich muss sie fotografieren, dann stürzen sie wie ein Bienenschwarm auf mich zu um das Bild am Display zu begutachten.
Ich gelange in ein Haus, wo eine von Mönchen durchgeführte Schutz- und Segnungszeremonie stattfindet, werde zum Tee eingeladen und darf zwischen den Mönchen sitzen. Danach spiele ich bis Einbruch der Dunkelheit mit den Jugendlichen Volleyball. Umgeben von Bergen, herrlicher Luft und lachenden Kindern. Ich frage Tshering auf der Heimfahrt, ob in Bhutan auch jemand schlechte Laune hat. Das kommt schon vor meint er, aber wir sind ein glückliches Volk. Man kann aus alles etwas machen. Man kann über alles lächeln. Ein Lächeln kostet nichts, doch es gibt nichts, das ein Lächeln kaufen kann. Sagt es, lächelt, während wir in seinem zwanzig Jahre alten Toyota die Bergstraßen durch die Dunkelheit heimwärts kurven.


Heute war ein herrlicher Tag. Zuerst waren wir im Tempel, weil ein buddhistischer Feiertag war und weil der Sohn von Tshering zu seinem dreimonatigen Geburtstag vom Mönch gesegnet wurde. Danach haben wir eine wunderbare Zeit bei der Tante von Tsherings Frau verbracht. Ihr Mann ist Sergeant bei der bhutanischen Armee. Deshalb wohnt er mit seiner Familie am Militärgelände. Die Miltiärangehörigen wohnen nebeneinander in langgestreckten Häuserzeilen. Es gibt eine Wohnzeile und gegenüber eine Küchenzeile. Rechtwinkelig dazu am Ende der beiden Zeilen gibt es noch die Klozeile. Jede Familie hat zwei kleine Zimmer. Die Tante hat mit ihrem Mann und fünf Söhnen darin gewohnt. Drei sind jetzt schon ausgezogen. Die Familien erhalten kostenlos Wohnung, Strom, Wasser, sowie einen kleine Garten, den sie selbst bestellen können. Eigentlich wie im idealen Kommunismus. Man hat wenig aber genug. Es ist herrlich dort. Nachdem ich Reis mit Chili und getrocknetem Schweinefleisch verdrückt mache, durchstreife ich die Siedlung, fotografiere Kinder - es werden immer mehr. Immer mehr wollen fotografiert werden. Ich muss sie fotografieren, dann stürzen sie wie ein Bienenschwarm auf mich zu um das Bild am Display zu begutachten.

Ich gelange in ein Haus, wo eine von Mönchen durchgeführte Schutz- und Segnungszeremonie stattfindet, werde zum Tee eingeladen und darf zwischen den Mönchen sitzen. Danach spiele ich bis Einbruch der Dunkelheit mit den Jugendlichen Volleyball. Umgeben von Bergen, herrlicher Luft und lachenden Kindern. Ich frage Tshering auf der Heimfahrt, ob in Bhutan auch jemand schlechte Laune hat. Das kommt schon vor meint er, aber wir sind ein glückliches Volk. Man kann aus alles etwas machen. Man kann über alles lächeln. Ein Lächeln kostet nichts, doch es gibt nichts, das ein Lächeln kaufen kann. Sagt es, lächelt, während wir in seinem zwanzig Jahre alten Toyota die Bergstraßen durch die Dunkelheit heimwärts kurven.

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1./2. Oktober
volce, 02:13h
Tsherings Familie lebt unter dem Dach in in einer kleinen Wohnung. Ich schlafe im Gebetsraum. Außer mir befinden sich im Zimmer nur Bilder und Statuen von Buddha und von Reinkarnationen von Guru Rinpoche. Und Kakerlaken. Die ganze Wohnung ist von Kakerlaken verseucht. Als ich die Bettdecke hebe und darunter Kakerlaken finde, versuche ich, mich in der ersten Nacht mit meinem Moskitonetz abzuschirmen. Als ich am nächsten Tag beim Aufwachen genau über meinem eine Kakerlake auf der Innenseite des Netzes finde, denke ich, Buddha liebt alle Geschöpfe und damit auch die Kakerlaken und so soll ich es wohl auch halten.
In der Wohnung gibt es fließendes Wasser, allerdings nur kalt und ohne Dusche oder Waschbecken. Es befindet sich im Boden nur ein Abfluss. Will man warmes Wasser haben, muss man einen lebensgefährlichen Tauchsieder, der nur aus zwei Drähten und vier Heizspiralen besteht, in den Wasserkübel tauchen. Dabei macht es immer schöne blaue Funken. Man sollte den Tauchsieder auf alle Fälle vor der Benutzung des Warmwassers entfernen. Will man den Tag überleben. Die Toilette ist eine Stehklo in einem niedrigen Winkel des Bades . Ich arbeite noch daran, dafürdie richtige Benutzerposition zu finden.
Überhaupt ist alles sehr klein und verwinkelt. In der gesamten Wohnung gibt es zwei Fenster und sonst nur Oberlichten. Aber die Familie äußerst nett, Tsherings Frau kocht gut. Es gibt dreimal täglich Reis mit Chili und dazu anderes Gemüse, Eier, Käse. Ich verstehe mich herrlich mit Tshering. Er ist der Leiter des Happy Valley Theatre, der einzigen Theatergruppe in Bhutan. Seine Ausbildung besteht aus ein paar Workshops bei ausländischen Theatermachern, Internetrecherche und Büchern. Er will alles lernen, was möglich ist. Er wollte immer schon Theater spielen, das Studium hat ihn nicht interessiert. Seine Noten waren schlecht. Nur das Problem war: es gab kein Theater. Also hat er eines gegründet. Happy Valley macht vor allem Straßentheater zu sozial wichtigen Themen wie Drogen, Teenage Pregnancy, HIV aber auch Schutz der Tiger, der Bäume, Umweltschutz insgesamt und Völkerverständigung. Eine idealistische Gruppe. Ich habe sie auch gleich alle kennengelernt. Ihr Büro und ihren Probenraum funktionieren sie an drei Tagen die Woche in ein Restaurant um. Da haben sie mich empfangen mit Spalier und Gebetsschal, einer Filmemacherin, die sich um die Dokumentation kümmert und gleich alles mitfilmt. Die Mitglieder der Gruppe sind wie die meisten Bhutaner anfangs sehr schüchtern, die Jungs aber nach einer Stunde dafür umso übermütiger.

Ich laufe durch Thimpu und muss feststellen, dass es hier aussieht wie in Tirol. Die Stadt könnte auch Kitzbühel sein. Jetzt weiß ich, warum ich mich hier so zu Hause fühle. Es sieht aus wie in Österreich: die Berge und die Gebäude die von der Form her der Tiroler Lederhosenarchitektur nicht unähnlich sind. Moderne Gebäude, mehrstöckig in traditioneller Form gebaut mit flachem Dach und breiten Balkonen. Die Häuser stehen eher locker am Hang verteilt, Forststraßen ziehen sich durch den Nadelwald. Sieht aus wie ein zersiedeltes Tiroler Tal. Die Stadt ist uninteressanter als ich dachte. Es ist alles relativ sauber und ordentlich, dadurch fehlt Chaos und die Spuren der Zeit.
Wir schlendern über den Markt, ich begutachte fremdartige Früchte und fotografiere Kinder, Verkäufer, schüchterne Blicke. Überall sind Schilder aufgestellt, die zum Mülltrennen anhalten. Hier ist wohl einiges äußerst vorbildlich für ein Entwicklungsland. Der Wald darf nicht abgeholzt werden. Die bedrohten Tiere sind geschützt. Es gibt keine ausländischen Konzerne, die das Land ausbeuten. Gesundheitsvorsorge und Ausbildung sind gratis. Es scheint kaum Korruption zu geben. Der König ist gerecht. Und alle lieben den König. Er hat von sich aus die Demokratie eingeführt, obwohl die eigentlich keiner wollte. Als es drei Wochen vor der Wahl noch immer keine Parteien gab, musste er seine Minister dazu anhalten, welche zu gründen.
Ich schlafe viel, denn der Jetlag und die Höhe machen mich müde. Im Fernsehen laufen bhutanische Dancingstars. Tanzen können sie hier wirklich nicht. Und das Fernsehen ist so billig, dass alles nach Homevideo aussieht. Ein Qualitätsverständnis für Theater, Tanz oder andere darstellende Künste scheint es hier nicht zu geben. Tshering macht hier Pionierarbeit.
In der Wohnung gibt es fließendes Wasser, allerdings nur kalt und ohne Dusche oder Waschbecken. Es befindet sich im Boden nur ein Abfluss. Will man warmes Wasser haben, muss man einen lebensgefährlichen Tauchsieder, der nur aus zwei Drähten und vier Heizspiralen besteht, in den Wasserkübel tauchen. Dabei macht es immer schöne blaue Funken. Man sollte den Tauchsieder auf alle Fälle vor der Benutzung des Warmwassers entfernen. Will man den Tag überleben. Die Toilette ist eine Stehklo in einem niedrigen Winkel des Bades . Ich arbeite noch daran, dafürdie richtige Benutzerposition zu finden.
Überhaupt ist alles sehr klein und verwinkelt. In der gesamten Wohnung gibt es zwei Fenster und sonst nur Oberlichten. Aber die Familie äußerst nett, Tsherings Frau kocht gut. Es gibt dreimal täglich Reis mit Chili und dazu anderes Gemüse, Eier, Käse. Ich verstehe mich herrlich mit Tshering. Er ist der Leiter des Happy Valley Theatre, der einzigen Theatergruppe in Bhutan. Seine Ausbildung besteht aus ein paar Workshops bei ausländischen Theatermachern, Internetrecherche und Büchern. Er will alles lernen, was möglich ist. Er wollte immer schon Theater spielen, das Studium hat ihn nicht interessiert. Seine Noten waren schlecht. Nur das Problem war: es gab kein Theater. Also hat er eines gegründet. Happy Valley macht vor allem Straßentheater zu sozial wichtigen Themen wie Drogen, Teenage Pregnancy, HIV aber auch Schutz der Tiger, der Bäume, Umweltschutz insgesamt und Völkerverständigung. Eine idealistische Gruppe. Ich habe sie auch gleich alle kennengelernt. Ihr Büro und ihren Probenraum funktionieren sie an drei Tagen die Woche in ein Restaurant um. Da haben sie mich empfangen mit Spalier und Gebetsschal, einer Filmemacherin, die sich um die Dokumentation kümmert und gleich alles mitfilmt. Die Mitglieder der Gruppe sind wie die meisten Bhutaner anfangs sehr schüchtern, die Jungs aber nach einer Stunde dafür umso übermütiger.

Ich laufe durch Thimpu und muss feststellen, dass es hier aussieht wie in Tirol. Die Stadt könnte auch Kitzbühel sein. Jetzt weiß ich, warum ich mich hier so zu Hause fühle. Es sieht aus wie in Österreich: die Berge und die Gebäude die von der Form her der Tiroler Lederhosenarchitektur nicht unähnlich sind. Moderne Gebäude, mehrstöckig in traditioneller Form gebaut mit flachem Dach und breiten Balkonen. Die Häuser stehen eher locker am Hang verteilt, Forststraßen ziehen sich durch den Nadelwald. Sieht aus wie ein zersiedeltes Tiroler Tal. Die Stadt ist uninteressanter als ich dachte. Es ist alles relativ sauber und ordentlich, dadurch fehlt Chaos und die Spuren der Zeit.
Wir schlendern über den Markt, ich begutachte fremdartige Früchte und fotografiere Kinder, Verkäufer, schüchterne Blicke. Überall sind Schilder aufgestellt, die zum Mülltrennen anhalten. Hier ist wohl einiges äußerst vorbildlich für ein Entwicklungsland. Der Wald darf nicht abgeholzt werden. Die bedrohten Tiere sind geschützt. Es gibt keine ausländischen Konzerne, die das Land ausbeuten. Gesundheitsvorsorge und Ausbildung sind gratis. Es scheint kaum Korruption zu geben. Der König ist gerecht. Und alle lieben den König. Er hat von sich aus die Demokratie eingeführt, obwohl die eigentlich keiner wollte. Als es drei Wochen vor der Wahl noch immer keine Parteien gab, musste er seine Minister dazu anhalten, welche zu gründen.
Ich schlafe viel, denn der Jetlag und die Höhe machen mich müde. Im Fernsehen laufen bhutanische Dancingstars. Tanzen können sie hier wirklich nicht. Und das Fernsehen ist so billig, dass alles nach Homevideo aussieht. Ein Qualitätsverständnis für Theater, Tanz oder andere darstellende Künste scheint es hier nicht zu geben. Tshering macht hier Pionierarbeit.
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28/29/30. September
volce, 02:11h
Ich reise durch Welten. Ich kann nichts begreifen sondern nur schauen. Überbordende Bilder. Jeder Augenblick ein Geschenk, jeder Moment eine Szene. Indien ein tausendfaches Gemälde. Bhutan der friedvollste Ort der Welt. So erscheint es mir nach den ersten zwei Tagen meiner Reise. Dabei beginnt alles mit einer Beinahe-Katastrophe, einem Schreckenstrip durch Berlin.
Ich lasse mich zum Flughafen bringen. Keine gute Idee an diesem Donneratag Vormittag, denn am Autobahnring stecken wir sofort im Stau fest. Die Zeit verinnt, wir kommen kaum voran und mittlerweile ist fast nur noch eine Stunde bis zum Abflug meiner Maschine. Wir verlassen die Autobahn, damit ich auf die S-Bahn wechseln kann, doch dann finden wir uns auf irgendwelchen unbekannten Straßen in Charlottenburg und wissen gar nicht mehr, wie man fahren soll. Ich spüre echte Verzweiflung in mir aufsteigen, kann nicht mehr klar denken und werde panisch. Wir versuchen per Google Maps unseren Weg zu finden. Schließlich eine S-Bahnstation, doch der Zug fährt erst in 6 min. Also der Entschluss, ein Taxi zu nehmen. Der Taxifahrer kennt die Schleichwege und ich komme tatsächlich noch rechtzeitig zum Flughafen. Als ich vom Check-in zum Gate hetze, komme ich am Mann vom Check-in Schalter vorbei, der mich vorhin bedient hat und der gerade auch zum Gate geht. „Lassen Sie sich Zeit, Herr Schmidt“, sagt er gelassen. Ich staune, dass er sich meinen Namen gemerkt hat und hetze weiter.
Lassen Sie sich Zeit, Herr Schmidt“, das soll wohl die Losung dieser Reise sein.
Die Flüge sind angenehm, Turkish Airlines sympathisch, am Flughafen von Delhi genieße ich chillige indische Musik über die Lautsprecher und verliebe mich sofort in die freundliche, kindliche und verspielte Art der Inder. Die Sonne geht schnell auf, scheint durch die riesiegen Flughafenfenster, ich versuche in verschiedenen sitzenden Positionen zu schlafen. Am Flug von Delhi nach Bagdogra tauchen am Horizont hinter den Wolken die Bergketten des Himalaya auf. Ich kann es kaum fassen. Diese entfernten prächtigen schneebedeckten Gipfel sind also der Himalaya. Jetzt bin ich tatsächlich angekommen.

In Bagdogra gibt es keinen Himalaya mehr, nur heiße, feuchte indische Luft, banges Warten auf meinen Rucksack am Gepäcksausgabeband, den Gestank indischer Straßen und Dunst und Staub. Das Taxi führt mich durch endloses indisches Straßengetümmel. Hier passiert alles, überall und gleichzeitig. Ich blicke nur staunend und überwältigt aus dem Taxifenster. Soviel Armut und Schönheit gleichzeitig. Der Verkehr ist einfach nur Wahnsinn. Alles bewegt sich ohne Regel gleichzeitig so eng wie möglich aneinander vorbei und dabei auch noch um die Schlaglöcher herum. Zumindest fahren die Gefährtemeistens links aneinander vorbei, auch wenn sie bis kurz vor dem Ausweichmanöver genau aufeinander zu fahren. Vieles, was man sieht, macht Sinn, wie Männer, die auf der Straße anderen Männern den Bart scheren, Rikschas mit oder ohne Motor, letztere mit bis zu 7 Menschen behängt. Anderes macht keinen Sinn: Ein LKW, der in einem Fluss fährt und dabei bis zur Führerkabine ins Wasser eintaucht. Frauen, die in einem Bus warten, der keine Räder mehr hat. Andere Dinge sind einfach nur unglaublich. Es wird schnell und früh dunkel in Westbengalen, doch der Verkehr wird nicht vorsichtiger. Jetzt wird zusätzlich zum Hupen noch gelichthupt. Und in diesem ganzen Wahnsinn fährt ein Typ mit dem Fahrrad, telefoniert dabei, seine Frau sitzt seelenruhig im Sari auf dem Gepäcksträger, während buntgeschmückte, stinkende LKWs ein paar cm neben ihrem Ohr vorbeidonnern. Ich sitze mitten in all dem Wahnsinn in meinem Taxi. Aber ich habe keine Angst. Der Verkehr funktioniert so. Alles fließt.
Ich weiß laut Karte, dass die meiste Stecke auf dem Weg von Bagdogra nach Phuntsholingin Bhutan, Highway sein soll. Ich warte die ganze Zeit auf den Highway und frage mich, wann diese Schlaglochpiste, dieses enge Geschaukel auf überfüllter Kleinstraße aufhört. Ich frage den Taxifahrer, wann denn jetzt endlich der Highway kommt. Er sagt, das sei der Highway. Das ist also der Highway. Ab diesem Moment weiß ich, dass es gut ist, im Leben mit allem, wirklich mit allem zu rechnen.
Zwischendurch gibt es halbwegs asphaltierte Teilstücke und nach nach 5 h Fahrt kommen wir in Phuntsholing an der indisch-bhutanischen Grenze an. Das Chaos, nun in kompletter Dunkelheit, nur erleuchtet von den Glühbirnen und Kerzen der Straßenläden, wird wieder dichter. Wir durchfahren ein prächtiges Tor mitten in der Stadt. Ich frage den Fahrer, wo denn die Grenze sei. Er meint, das wäre gerade die Grenze gewesen und fragt, in welches Hotel ich wolle. Ich bin also bereits in Bhutan, in diesem abgeschiedenen, schwer zugänglichen Himalaya-Königreich und habe es nicht mal bemerkt. Der Taxifahrer lässt mich aussteigen. Ich gehe zur Grenze zurück und werde von verwunderten halbwüchsigen Grenzbeamten empfangen, die fragen, woher ich komme. Zum Glück ist auch Tandim da, der mein Visum bereithält, mir einen weißen Gebetsschal umhängt und mich in Bhutan willkommen heißt.

Am nächsten Tag organisieren wir mein Visum, fahren mit einem Motorrikscha durch den indischen Teil der Stadt, wie herrlich. Gerüche und Fahrtwind um uns herum. Der Trubel ganz nah, und wieder alles gleichzeitig. Auf dem bhutanischen Amt genieße ich die bhutanische Beamtenmentalität. Und alle tragen diese wunderschönen traditionellen Gewänder, den Go. Dann geht es mit dem Taxi Richtung Thimphu, hinauf, hinauf in die Berge. Sieben Stunden lang. Die Hauptverbindung zwischen Indien und Bhutan.

Teilweise auch schlimmste Rumpelstraße. Under Construction, erklärt mir Tandim. Das sieht ca. so aus: alle paar hundert Meter arbeitet eine indische Famile an einem Teilstück. Das Teilstück ist ca. einen Meter lang. Entweder macht die Familie gerade Pause, oder sie bildet eine Menschenkette von ca. fünf Personen reicht einen Stein nach dem anderen ca. einen halben Meter vom Rand der Straße weiter, um ihn schließlich den Hang hinunter zu werfen. Fünf Menschen für einen halben Meter. Manchmal schaufelt auch einer, meistens eine Frau, und drei andere sehen dabei zu. Oder sie schaufeln zu zweit. Einer hält die Schaufel. Der andere hilft ihm mittels eines am Schaufelstiel befestigten Seil.

So kommen wir immer weiter in dieses Königreich, halten an einsamen Tschorten, von Gebetsfahnen, Wind und Frieden umgeben, der Blick geht immer in die Ferne, über steile bewaldete Täler hinweg.
Abends erreichen wir Thimpu und ich werde herzlich von Tshering und seiner Familie empfangen.
Ich lasse mich zum Flughafen bringen. Keine gute Idee an diesem Donneratag Vormittag, denn am Autobahnring stecken wir sofort im Stau fest. Die Zeit verinnt, wir kommen kaum voran und mittlerweile ist fast nur noch eine Stunde bis zum Abflug meiner Maschine. Wir verlassen die Autobahn, damit ich auf die S-Bahn wechseln kann, doch dann finden wir uns auf irgendwelchen unbekannten Straßen in Charlottenburg und wissen gar nicht mehr, wie man fahren soll. Ich spüre echte Verzweiflung in mir aufsteigen, kann nicht mehr klar denken und werde panisch. Wir versuchen per Google Maps unseren Weg zu finden. Schließlich eine S-Bahnstation, doch der Zug fährt erst in 6 min. Also der Entschluss, ein Taxi zu nehmen. Der Taxifahrer kennt die Schleichwege und ich komme tatsächlich noch rechtzeitig zum Flughafen. Als ich vom Check-in zum Gate hetze, komme ich am Mann vom Check-in Schalter vorbei, der mich vorhin bedient hat und der gerade auch zum Gate geht. „Lassen Sie sich Zeit, Herr Schmidt“, sagt er gelassen. Ich staune, dass er sich meinen Namen gemerkt hat und hetze weiter.
Lassen Sie sich Zeit, Herr Schmidt“, das soll wohl die Losung dieser Reise sein.
Die Flüge sind angenehm, Turkish Airlines sympathisch, am Flughafen von Delhi genieße ich chillige indische Musik über die Lautsprecher und verliebe mich sofort in die freundliche, kindliche und verspielte Art der Inder. Die Sonne geht schnell auf, scheint durch die riesiegen Flughafenfenster, ich versuche in verschiedenen sitzenden Positionen zu schlafen. Am Flug von Delhi nach Bagdogra tauchen am Horizont hinter den Wolken die Bergketten des Himalaya auf. Ich kann es kaum fassen. Diese entfernten prächtigen schneebedeckten Gipfel sind also der Himalaya. Jetzt bin ich tatsächlich angekommen.

In Bagdogra gibt es keinen Himalaya mehr, nur heiße, feuchte indische Luft, banges Warten auf meinen Rucksack am Gepäcksausgabeband, den Gestank indischer Straßen und Dunst und Staub. Das Taxi führt mich durch endloses indisches Straßengetümmel. Hier passiert alles, überall und gleichzeitig. Ich blicke nur staunend und überwältigt aus dem Taxifenster. Soviel Armut und Schönheit gleichzeitig. Der Verkehr ist einfach nur Wahnsinn. Alles bewegt sich ohne Regel gleichzeitig so eng wie möglich aneinander vorbei und dabei auch noch um die Schlaglöcher herum. Zumindest fahren die Gefährtemeistens links aneinander vorbei, auch wenn sie bis kurz vor dem Ausweichmanöver genau aufeinander zu fahren. Vieles, was man sieht, macht Sinn, wie Männer, die auf der Straße anderen Männern den Bart scheren, Rikschas mit oder ohne Motor, letztere mit bis zu 7 Menschen behängt. Anderes macht keinen Sinn: Ein LKW, der in einem Fluss fährt und dabei bis zur Führerkabine ins Wasser eintaucht. Frauen, die in einem Bus warten, der keine Räder mehr hat. Andere Dinge sind einfach nur unglaublich. Es wird schnell und früh dunkel in Westbengalen, doch der Verkehr wird nicht vorsichtiger. Jetzt wird zusätzlich zum Hupen noch gelichthupt. Und in diesem ganzen Wahnsinn fährt ein Typ mit dem Fahrrad, telefoniert dabei, seine Frau sitzt seelenruhig im Sari auf dem Gepäcksträger, während buntgeschmückte, stinkende LKWs ein paar cm neben ihrem Ohr vorbeidonnern. Ich sitze mitten in all dem Wahnsinn in meinem Taxi. Aber ich habe keine Angst. Der Verkehr funktioniert so. Alles fließt.

Ich weiß laut Karte, dass die meiste Stecke auf dem Weg von Bagdogra nach Phuntsholingin Bhutan, Highway sein soll. Ich warte die ganze Zeit auf den Highway und frage mich, wann diese Schlaglochpiste, dieses enge Geschaukel auf überfüllter Kleinstraße aufhört. Ich frage den Taxifahrer, wann denn jetzt endlich der Highway kommt. Er sagt, das sei der Highway. Das ist also der Highway. Ab diesem Moment weiß ich, dass es gut ist, im Leben mit allem, wirklich mit allem zu rechnen.
Zwischendurch gibt es halbwegs asphaltierte Teilstücke und nach nach 5 h Fahrt kommen wir in Phuntsholing an der indisch-bhutanischen Grenze an. Das Chaos, nun in kompletter Dunkelheit, nur erleuchtet von den Glühbirnen und Kerzen der Straßenläden, wird wieder dichter. Wir durchfahren ein prächtiges Tor mitten in der Stadt. Ich frage den Fahrer, wo denn die Grenze sei. Er meint, das wäre gerade die Grenze gewesen und fragt, in welches Hotel ich wolle. Ich bin also bereits in Bhutan, in diesem abgeschiedenen, schwer zugänglichen Himalaya-Königreich und habe es nicht mal bemerkt. Der Taxifahrer lässt mich aussteigen. Ich gehe zur Grenze zurück und werde von verwunderten halbwüchsigen Grenzbeamten empfangen, die fragen, woher ich komme. Zum Glück ist auch Tandim da, der mein Visum bereithält, mir einen weißen Gebetsschal umhängt und mich in Bhutan willkommen heißt.

Am nächsten Tag organisieren wir mein Visum, fahren mit einem Motorrikscha durch den indischen Teil der Stadt, wie herrlich. Gerüche und Fahrtwind um uns herum. Der Trubel ganz nah, und wieder alles gleichzeitig. Auf dem bhutanischen Amt genieße ich die bhutanische Beamtenmentalität. Und alle tragen diese wunderschönen traditionellen Gewänder, den Go. Dann geht es mit dem Taxi Richtung Thimphu, hinauf, hinauf in die Berge. Sieben Stunden lang. Die Hauptverbindung zwischen Indien und Bhutan.

Teilweise auch schlimmste Rumpelstraße. Under Construction, erklärt mir Tandim. Das sieht ca. so aus: alle paar hundert Meter arbeitet eine indische Famile an einem Teilstück. Das Teilstück ist ca. einen Meter lang. Entweder macht die Familie gerade Pause, oder sie bildet eine Menschenkette von ca. fünf Personen reicht einen Stein nach dem anderen ca. einen halben Meter vom Rand der Straße weiter, um ihn schließlich den Hang hinunter zu werfen. Fünf Menschen für einen halben Meter. Manchmal schaufelt auch einer, meistens eine Frau, und drei andere sehen dabei zu. Oder sie schaufeln zu zweit. Einer hält die Schaufel. Der andere hilft ihm mittels eines am Schaufelstiel befestigten Seil.

So kommen wir immer weiter in dieses Königreich, halten an einsamen Tschorten, von Gebetsfahnen, Wind und Frieden umgeben, der Blick geht immer in die Ferne, über steile bewaldete Täler hinweg.
Abends erreichen wir Thimpu und ich werde herzlich von Tshering und seiner Familie empfangen.
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