Donnerstag, 2. Dezember 2010
30. November
Flughafen Berlin Tegel. Rückkehr nach Europa, Rückkehr in die Welt der Erwachsenen. Warum sind alle schwarz angezogen. Wo ist die Farbe? Alle sind so seriös. So vereinzelt. Es hat minus drei Grad. Ich laufe im dünnen Pullover zum Taxi. Ich hab keine Winterjacke mit. „Na zum Glück hab isch kräftig eingeheizt“ sagt mir die türkische Taxifahrerin, als sich mich im Indienoutfit sieht.

Rückkehr in meine Wohnung. Es ist, als würde ich zu Besuch in meinem früheren Leben sein. So wohne ich also. Schöne Wohnung. So lebe ich also. Wie war das Leben noch mal? ich erinnere mich kaum. Die ersten beruflichen Telefonate. Bin ich der Regisseur, der da einen Bauprobentermin hat? Bin da wirklich ich gemeint. Ich bin doch noch ganz wo anders.

Wie verschieden Leben sein kann. Wie oft man glaubt, dass man weiß, wie das Leben funktioniert. Es gibt so viele Wege, die man gehen kann. Wie oft man glaubt, dass man weiß, wie man glücklich wird. Das Glück ist eine Größe in der Gleichung unseres Lebens, um die wir uns nicht kümmern sollen. Denn es taucht selten dort auf wo man es erwartet. Die Welt ist zu vielfältig, um ihr unsere Sicht vom richtigen Leben aufzusetzen. Was zählt, ist der Augenblick. Die Freiheit von der Sorge um das Glück. Ich schalte nach zwei Monaten mein deutsches Handy ein. Im selben Augenblick klingelt es. Der erste Anruf nach zwei Monaten. Gutes Timing.

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26/27/28/29. November
Der letzte Tag meiner Reise in Delhi war noch man ein kräftiger, fabenfroher, sinnesüberwältigender Aufschlag auf die Reiseeindrücke. Eigentlich habe ich nicht viel erwartet, die meisten Reisenden, die ich traf, beschrieben Delhi als nur anstrengend. Und eigentlich hatte ich schon genug von indischem Rumgeschiebe, Körperkontakt, Geschrei, Preisverhandeln und Abgezocke. Aber nach den fast zu geruhsamen Tagen in Touristen-Kochi war das noch mal eine erfrischende Indienabreibung.

Ein Tag Delhi. Zuerst Old-Delhi, dieses Maximum an indischem Wahnsinn, dieses Überbevölkerungsgewusel, Spice Basar, Wedding Card Basar und Weiß-Der-Teufel-Was-Basar. Menschen in, auf und unter unterschiedlichsten Transport- und Tragevorrichtungen schieben sich aufeinander und untereinander. Jeder Zentimeter zählt, das Zählen auf die Zentimeter ermöglicht erst das Fortkommen. Ohne Zentimeter, ohne Ausnutzen des kleinsten Raumes ist man verloren. Denn man ist nur ein kleiner Mensch im riesigen Getriebe, man hat nur ein paar Zentimeter Raum. (In Indien natürlich Inch, Zehntel-Inch vielleicht)



Also durch die engen Gassen im Fahrradrikscha, über mir bedrohliche Kabelsalate, die den Blick auf das letzte Stücken Himmel verstellen, Tempel, Moscheen, ein Bird-Hospital der Jainisten, Menschen, Menschen, Menschen, alte Mogulbauten, zerfallen, in jedem Raum blütenflechtende, gewürzmessende Inder wie Hausbesetzer in einer Ruine aus vergangenen Zeiten. Stockwerk über Stockwerk. Ganz oben der Blick über den Wahnsinn namens Hauptstadt.

Davor Touristen-Kochi. Seltsame Stadt. Die Tage dort waren recht geruhsam. Aber es war wenig Indien dabei. Nur mittelalterliche vorwiegend weibliche Touristen, die in Art Cafes und schicken Restaurants Pause von ihren Ayurvedabehandlungen und Kochkursen machen. Also wage ich es, um nicht ganz in der Fadesse zu versickern, miete einen Motorroller und werfe mich in den indischen Verkehr. Nach vier Wochen Studium fühle ich mich bereit, auch wenn es wahrscheinlich das Gefährlichste ist, was ich auf meiner bisherigen Reise getan hab.



Man darf nur nicht schüchtern sein. Immer die Lücke füllen. Gefahren wird, wo Platz ist. Nie nachgeben. Und kräftig hupen. Ohne hupen, wäre der indische Verkehr gar nicht vorstellbar. Wer zuerst hupt, hat Vorfahrt. Zumindest unter gleichrangigen Fahrzeugen. Bei einem Bus oder LKW hilft hupen auch nicht viel. Gehupt wird ständig. Es ist die laufende Kommunikationsform. Wie der Tanz der Bienen im Bienenschwarm, oder das Geblöke der Schafe oder Heulen der Hunde in der Nacht. Man hupt, wenn man überholt. (einmal) Man hupt, um sich Platz zu schaffen (mehrmals bis durchgehend), man hupt, wenn man keinen Platz machen will (einmal länger) , oder wenn man sein Einverständnis zu Überholmanövern gibt (einmal ganz kurz). Das sind natürlich nur Richtwerte. Es kann auch auch ganz anders sein. Aber man weiß meistens irgendwie, was gemeint ist. Je verrückter das Überholmanöver, desto penetranter das Gehupe.

Nach der ersten halben Stunde auf meinem Roller schaffe ich es, mich ein wenig zu entspannen, und es fängt an, Spaß zu machen. Nur wenn LKWs oder Busse im Gegenverkehr überholen, wird es unangenehm. Denen ist nämlich egal, ob da ein Motorrad oder Roller oder sonstwas entgegen kommt. Man muss ausweichen, oder abbremsen. Dass man von anderen ständig ausgebremst wird, ist normal. Richtig unangenehm aber wird es, wenn man vom überholenden Gegenverkehr an den Rand gedrängt wird und dann noch einem Schlagloch ausweichen muss. Dann bleibt nur der Straßengraben. Da sind oft auch Leute, die im Weg rumstehen.

So fahre ich zum Cherai-Beach, helfe Fischern, die mit chinsesichen Fischernetzen, diesen Fred-Feuerstein-mäßigen Konstrukten aus verbogenen Ästen, Schnüren und Steinen, fischen, und genieße die Rückfahrt über eine kleine unbefahrene Straße zwischen Strand und Land, voll kleiner Alltagsszenen in diesem im Vergleich zum Rest von Indien ruhigen Kerala.

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Samstag, 27. November 2010
24/25/26. November


Seit zwei Tagen in Kochi. Seltsam. Alle haben so geschwärmt von dieser Stadt, dass ich beschlossen habe, meine letzten Tage hier zu verbringen. Sie ist auch wirklich bezaubernd. Alte europäische Häuser der Portugisen und Holländer, umgeben von Meer. Aber auch hohl. Enkernt für Touristen. Die Touristen hier sind auch anders. Zurückhaltender. Man ist nicht allein in indischer Fremde und begrüßt sich freudig wie ein lange nicht gesehenes Familienmitglied. Man ist hier sonderbar unter sich und hält deshalb Abstand. Schicke Kaffees, tolle Restaurants. Alles geschmackvoll eingerichtet. Man kann hier gut leben, aber warum? Gut, geht man ein bißchen abseits der Touristenpfade in die Stadt hinein, sieht man wieder die schönen kleinen Alltagssszenen, die Indien ausmachen.



So wie vorgestern bei der Backwatertour von Allappey aus. Man fährt mit einem kleinen Boot mit Bambusdach über weite Wasserflächen, am Horizont einzelne Palmen, am Wasser überall große Hausboote wie schwimmende Käfer, kugelrunde Bambushäuschen, luxuriös ausgestattet für indische oder ausländische Touristen. Man fährt durch enge Kanäle und fährt mitten durch das Alltagsleben der Inder. Am Wasser waschen sie Wäsche und Geschirr. Kinder spielen im Wasser, jubeln und machen Saltos ins Wasser sobald man vorbeifährt. Fischer im Kanu und am Ufer, Hühner, die durch den Garten waten oder schwimmen. Hier regnet es so viel, dass fast alle Gärten der Häuser überschwemmt sind. Teilweise auch die Häuser selbst. Die Menschen leben trotzdem darin. Hier wird nix evakuiert. Frauen gehen ständig mit gerafften Röcken umher. Alles steht einen halben Meter unter Wasser. Enten schwimmen im Vorgarten. Die Reisfelder stehen auch komplett unter Wasser. Die Landschaft wirkt unwirklich. Man weiß gar nicht mehr, wo Gewässer ist, wo Festland, einzelne Dämme mit Palmenalleen durchziehen eine unendliche Wasserfläche. Die Kanäle sind höher als die Felder. Ein irres Bild. Mit Sandsäcken versucht man, die übervollen Kanäle einzudämmen. Das gelingt kaum. So rinnt das Wasser durch das Alltagsleben der Menschen. Nasse Füße in Haus und Hof.

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23. November


Heute war ich im Dschungel und es hat nicht geregnet. Im morgendlichen Nebel starten wir. Gleich am Anfang stellen wir fest: alles voller Blutegel. Wir erhalten spezielle Blutegelstrümpfe, doch die Viecher sind so schnell in den Schuhen, auf der Hose. Wir streuen Tabak auf Schuh und Strümpfe, das mögen sie nicht. Es geht kleine Pfade entlang. Wir sehen Pfotenspuren eines Tigers. Die Tatzengröße kennt man ja aus dem Zoo, hier in der Natur hat bekommt so ein Abdruck nochmals eine andere unmittelbarere Dimension. Plötzlich werden die Guides unruhig. Aufgeregtes Plappern in fremder Sprache. Fragende Blicke der Weißen. Wie in Dschungelfilmen aus den Fünfzigern. Dann geht es plötzlich quer durch den Wald. Die Guides haben eine Elefantanspur entdeckt. Wir folgen den riesigen Abdrücken (mein Fuß passt da fünfmal hinein) durch den Dschungel. Klopfendes Herz, Spinnweben im Gesicht, hier gibt’s Riesenspinnen. Und man sieht sie immer erst im letzten Augenblick im äußersten Gesichtsfeld, wie in den Filmen (spiders are very dangerous, big ones you die, but small ones you don’t die) Der Elefant ist zu schnell oder wir zu langsam. Auf alle Fälle finden wir ihn nicht. Die Bilanz von einem Tag im Dschungel: ein paar Affen, ein Frosch, ein Bison zwischen Blätterwerk, bunte Vögel, Spinnen, Blutegel. War aber trotzdem aufregend.

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22. November
No foto today. Es regnet schon wieder seit dem frühen Nachmittag. Jeden Tag Regen. Der Monsun sollte eigentlich vorbei sein. Climate Change erläutern Kellner und Rikschafahrer. Ich sitze hier in den Bergen und kann nichts tun. Was will ich hier, frage ich mich. Es ist genug. Schlechtes Wetter hab ich auch zu Hause. Ich will in mein Leben zurück. Morgen Dschungeltrek. Viele Blutegel, sagt man. Weil es noch immer regnet. Yippie. Eat and be eaten. Welcome to the jungle.

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Sonntag, 21. November 2010
17/18/19/20/21. November
An meinem letzten Tag an der Küste bei Kannur konnte ich miterleben, wie zwei schwedische Rentnerpärchen eine großräumige Landschaftsumgestaltung vornahmen. Hinter dem Strand gibt eine Art Backwater, ein stehendes Gewässer, von der Küste nur durch eine Sandbarriere getrennt. Üblicherweise wird diese Barriere in der Regenzeit vom angestauten Wasser durchbrochen. Eigentlich ist die Regenzeit vorbei, doch es regnet noch immer viel. Das Wasser hat sich also sehr hoch angestaut, viele Fusswege sind unter Wasser und können nur schwer begangen werden. Diesem Zustand haben die vier Schweden um die Siebzig ein Ende bereitet. Mit Strohhut und Spaten machen sie sich an die Arbeit und graben einen kleinen kaum einen halben Meter tiefen Kanal durch den Sand vom Backwater zum Meer. Sie sind wie Kinder mit Eifer bei der Arbeit, puddeln eifrig, entfernen vom Rand abbrechenden Sand aus dem Rinnsal, das immer größer wird. Sie erklären mir, der Durchfluss würde in ein paar Stunden mehrere Meter breit werden. Ich nicke nur ungläubig und lege mich wieder an den Strand. Als ich nach einer Stunde aufblicke, sehe ich eine riesige Stromschnelle von braunem von Sand verfärbtem Wasser. Der Kanal hat sich tatsächlich von selbst vergrößert und ist zum reißenden Strom geworden. Das gesamte dahinter liegende Gewässer rinnt aus. Wo vorher noch eine stehende Brühe war, ist jetzt munter fließendes Wasser. Die Schweden packen glücklich ihre Gerätschaften ein und verlassen den Strand. Zurück bleiben staunende Inder und begutachten das Naturspektakel, während sich der Strom durch den Sand von Minute zu Minute immer mehr weitet und ein unüberbrückbares Hindernis wird. Das dahinter liegende Gewässer existiert nach ein paar Stunden nicht mehr.



Am Abend traumhaften Spaziergang an einem endlosen Sandstrand. Stundenlang könnte man hier das Meer entlangwandern. Nur Palmen, Sand und Wellen in den schönsten Farben und Formen.

Nun bin ich seit drei Tagen in Varkala. Anfangs fragte ich mich, was ich hier will. Touristen, überall Touristen, der Strand nicht aufregend und überfüllt. Ein Restaurant und Verkaufstand neben dem anderen, überall Yoga und Ayurveda. Ich finde immerhin eine schöne Unterkunft in einem Wellnessressort. Ich bleibe dann doch länger, denn das Essen ist gut, ich schreibe viel, die Wellen sind zum Surfen ausgezeichnet, wenn auch verdammt hoch und respekteinflößend. Man trifft nette Menschen, sitzt in Cafes, plaudert, alles ist einfach und unkompliziert und der abstoßende Touristrand wird annehmbar und heimelig. Heute regnet es den ganzen Tag, also bloß Schreiben und abends in die Stammkneipe.

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Freitag, 19. November 2010
12/13/14/15/16. November
Schon wieder an einem Traumort gelandet. Costa Malabari, ein Guesthouse im Norden von Kerala in der Nähe von Kannur. Mitten im Dschungel, fünf Minuten zum Strand. Was für ein Strand. Menschenleer bis auf die Handvoll Bewohner des Guesthouse. Hohe Wellen, feiner glitzernder Sand, dahinter Backwater durch Palmenhaine. Das Haus ein altes liebevoll rennoviertes Gebäude. Wie selten sieht man das hier. Die Gäste hier sind anders als die anderen Traveller. Da es“ teurer“ ist, steigen hier nicht die jungen oder Hardcore-Traveller und Freaks ab sondern entspannte Mitdreißiger – so wie ich ;) Gegessen wird gemeinsam an einer langen Tafel. Das Essen hier ist gut aber immer dasselbe. Fisch, Gemüse, Obst, frische Traubensäfte, und herrliche Desserts. Lange Gespräche am Abend. Und absolute Stille. Nur Meeresrauschen in der Ferne und Grillenzirpen und andere nächtliche Dschungelgeräusche.
Die beiden vorangegangenen Tage in Mysore waren eine schreckliche Zeit. Mysore wird in vielen Reiseführern empfohlen. Warum, weiß ich nicht. Unspektakulär, der Stadtpalast irgendeines Maharatschas nur neureicher Kitsch. Außerdem hatte ich meinen ersten Durchfall und wurde obendrein noch von Essence Oil-Sellern beschissen.



Vielleicht muss ich hier mal ein bisschen näher auf die indische Mentalität eingehen. Inder sind teilweise wie Kinder. Sie sind spontan und leben im Augenblick. Sie sind oft herzlich und neugierig. Sie nehmen an allem Anteil und alles wird kommentiert. Sie fangen aus echtem Interesse spontan Gespräche an. Man fühlt sich nie alleingelassen. Auch wenn sie manchmal einfach verdammt laut und penetrant sind. Mit derselben Unschuld und Offenheit knöpfen sie dir auch Geld ab, wollen dir zu überhöhten Preisen jeden Mist unterjubeln, dir irgendetwas vermitteln…

Ein junger Inder, sympathisch und freundlich, half mir beim Kauf von Bustickets, erzählte mir einiges von Mysore und organisierte mir eine wirklich günstige Rikscha. Er nahm mich in einen kleinen Laden mit, wo eine Frau dekorativ Räucherstäbchen rollte. Zufällig wurden dort im Hinterzimmer auch ätherische Öle verkauft. Die Preise klangen vernünftig, die Verkäufer waren nett, nur am Ende fand ich heraus, dass ich viel zu viel zahlte. Außerdem erhielt ich den Hinweis, dass die Größe der Fläschchen oft nicht dem angegebenen Inhalt entsprach. Deshalb lief ich durch die ganze Stadt, um schließlich einen Messbecher zu ergattern. Tatsächlich waren nur 15 statt der angeblichen 20ml im Fläschchen. Am nächsten Tag fahre ich also wieder ins Geschäft, packe mein Messbecherchen aus, mache einen Riesenwirbel, sage wegen diesen ständigen Betrügereien und der ganzen Korruption ist Indien noch immer so ein unterentwickeltes Land, dabei ist es eigentlich so reich aber ohne Vertrauen kann man einfach keine Geschäfte machen, usw. Ich merke schließlich, als die Verkäufer ihrerseits wütend werden, dass ich gegenüber drei Männern in einem Hinterzimmer in einem abgelegenen Stadtteil in einer eher ungünstigen Verhandlunsgpostion bin und deshalb auch ein bisschen Respekt zeigen sollte. Am Ende erhalte ich aber schließlich die fehlenden 5 ml in größeren Fläschchen, schenke ihnen den Messbecher und verlasse grußlos den Raum.

Meine Sympathie für die Inder hat dadurch einen Dämpfer erhalten. Ich schnauze an diesem Tag jeden Rikschafahrer an, der mich anspricht. Am Abend gönne ich mir vor Abfahrt des Busses noch eine Ayurvedamassage. Der Massageraum sieht aus wie eine rumänische Tierarztpraxis, doch die Masseure freuen sich, dass sie mich massieren können. Sie machen das eher mittelmäßig aber mit so viel Hingabe, dass ich all meinen Groll fahren lasse und im Anschluss Sitzschwitzbad zufrieden und mit der Welt im Reinen dahinschmelze.
Danach aberwitzige Busfahrt an die Küste durch den Dschungel. Die Straße ist teilweise nur ein rumpeliger Feldweg, der Bus hängt manchmal so schief, dass man glaubt, jetzt kippt er gleich um. Dafür kippen die Sitze nur wenig, schlaflose Rumpelnacht und schließlich Ankunft im nächsten Paradies.

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Samstag, 13. November 2010
11. November
Heute weiter nach Badami. Was für eine Reise! Der Zug sollte 6.30 fahren doch aus irgendeinem Grund fährt er schon um 6.00 los. Ich bin zum Glück rechtzeitig am Bahnsteig, hechte in den abfahrenden Zug. Der Waggon übervoll. Ich stecke am Eingang fest mit meinem Riesenrucksack. Vor mir, unter mir, über mir, um mich herum nur Menschen. Hinter mir springen noch drei weitere Männer auf den Zug, hängen sich außen dran. Ich kann mich nicht bewegen. Überall Füße Arme, vom Klo her stinkt es nach Pisse. Kein Ort für klaustrophobe Menschen. Ich kann kaum atmen. Zwei Stunden Zugfahrt. Wie soll ich das überleben? Nach minutenlanger zentimetergenauer Organisation meiner Gliedmaßen schaffe ich es sogar schließlich, mich auf meinen Rucksack zu setzen. Doch in der nächsten Station nochmals ein Schwall Männer, die in den Zug drängen. Wie wenig Platz braucht ein Mensch? - Schichten sie alle Körperteile so eng wie möglich übereinander. Verstauen Sie nun das Gepäck zwischen den Körperteilen. - Die Männer haben trotzdem gute Laune oder schlafen. In welchen Positionen ein Mensch schlafen kann. Von den offenen Türen ein angenehmer Windzug. Ich werde überleben. Ich bin aufgehoben. Eine Biene im Bienenschwarm. Ein Vieh in der Herde. Und ich sitze. Sitze auf meinem Rucksack. Ich schlafe ein und verpasse fast meine Station.



Badami, kleines Dorf mit einer Menge Tempel und Felshöhlen, diesmal ohne Touristen. Vor allem Schweine gibt es im Dorf. Affen, Hunde und Menschen. Drei Inder stehen um mich herum und beobachten, wie ich vor meinem Notebook sitze und meine Gedanken auf virtuelles Papier bringe. Der Strom fällt ca. drei Mal pro Stunde aus. Jetzt gerade wieder. Ich teile mein Zimmer mit einem Salamander. Willkommen in den Tropen. WELCOME TO INDIA.

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8/9/10.November


Drei Tage Hampi. Drei Tage an diesem ruhigen, entspannten und magischen Ort Eine steinalte Landschaft, Tempel und Granitblocktürme, endlos. Auf jedem Berg ein Tempel. Dazwischen ein imposanter Fluss. Eine riesige Fläche, durchsetzt mit beeindruckender Architektur. Die frühere Hauptstadt Vijayanagar eines der groessten suedindischen Reiche. Jetzt ein kleines Dorf. Die Bewohner haben sich hineingelebt in die alte Architektur, bewohnen die alten Steine. Hampi ist sehr touristisch und dennoch angenehm. Tolle Restaurants auf Steinstufen zum Fluss hin. Guesthouses mit Dachterasse. Sonnenuntergang zwischen Tempeln. Viele Menschen getroffen. Mit dem Rikscha durch Tempellandschaft gebraust. Kuhscheiße am Flipflop, Sonnenband im Nacken. Tempel-Overkill!!



Das lustige hier ist, dass nicht nur die Touristen die Inder fotografieren, sondern die Inder die Touristen. Ständig werde ich fotografiert, ein Inder oder eine Inderin stellt sich neben mich. Foto-Foto. Tank u.

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Sonntag, 7. November 2010
7. November


Der letzte Abend am Strand mit lieben Menschen: meine Schweizer Nachbarin, ein paar Isralis, Norman, ein deutscher Schriftsteller, der gerade an der Drehbuchbearbeitung von einem seiner Romane schreibt…. Auch ich arbeite hier. Ehrlich. Vormittags schreibe ich im Cafe an meinem Stück nach Strandjoggen und Morgenschwimmen. Nachmittags am Strand abhängen. Abends tanzen, trinken… So viele Pläne nicht ausgeführt, kein Dolphinwatching, kein Scooter Mieten und das Leben auf Indiens Straßen riskieren. Nur Strand, Essen, Strand, Schlafen, Sport, Schreiben, Reden Tanzen, Schlafen. Jetzt wieder Zeit für Kultur, auf nach Hampi.

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1/2/3/4/5/6. November
Riesige Greifvögel kreisen über mir im Himmel. Kühe ziehen den Strand entlang. Hunde kommen zu mir und wollen gestreichelt werden. Die Menschen haben zwar auch diesen Strand in Goa erobert, doch beherrschen tun sie ihn nicht. Da ist noch immer die Natur, das stetige Rauschen den Meeres, die Gezeiten, die Tiere. Palolem ist ein Bilderbuchsandstrand, sanft geschwungen, mit Kokospalmen, umrahmt von sanften Klippen – einfach ein Traum. Zwischen den Palmen Strandhüten für Touristen, Bars, Restaurants. Teilweise werden sie noch gebaut, es wird gehämmert und gesägt. Ein Baustellenstrand, unfertig und deshalb charmant. Einer der ruhigeren Strände auf Goa und doch mit allem ausgestattet, was man braucht, Strandbars mit ausgezeichneter Musik, gutes Essen, WiFi, Alt- und Späthippies gibt’s hier nicht, aber Yoga, Reiki, Massage, nasengepiercte Deutsche, kiffende Israelis, in Indien hängengebliebene Kroaten, jainistische Argentinier. Profi-Traveller mit dem Wissen um die besten Strände, die billisten Unterkünfte. Traveller sind so geizig. Manchmal muss man sich richtig für sie schämen. Nicht dass die Inder einem alles zum Bestpreis nachwerfen, aber alles so billig wie möglich ist auch keine Lebenshaltung. Und dann immer nur Reisen. „Hast du nicht manchmal Heimweh?“ frage ich eine französisch-schweizerische Videokünstlerin, die seit Monaten in Indien unterwegs ist. „I don’t allow me to“ sagt sie. Das Glück besteht im Reisen. Reisen als Selbstzweck. Versteh ich nicht. Ich reise auch gerne, aber irgendwann will ich doch wieder dorthin zurück, wo ich Sinnvolles leisten kann. Der Kroate hat sich nach dem Krieg für die Frühpension entscheiden und lebt seither ohne Pass und Visum in Indien. Jeder von Ihnen hat mehr oder weniger vernünftige religiöse Welterklärungs- und Lebenssinnmodelle, manche inspirierend, manche nur abwegig. „Anything can happen in India“. Das stimmt immer. Hier kann einem immer alles passieren. Die Inder sind die spontansten Menschen, die ich kenne. Manchmal auch spontan kompliziert. Spontan liebevoll. Spontan freundlich. Ein indisches Fischerboot kreuzt meine morgendliche Schwimmroute im Meer. „Come with us“, rufen die Inder“. No suncreame“, rufe ich zurück, und blicke wehmütig dem Fischerboot hinterher, das am glitzernden Horizont verschwindet.

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Dienstag, 2. November 2010
30/31. Oktober
Gestern war ich in den Slums von Mumbai. Es war eigentlich gar nicht geplant. Ich hatte alle meine Wertsachen bei mir. Pass, Fotoapparat, Geld, Handy. Ich hab noch immer alles. Und bin um viele Erfahrungen reicher.



Eigentlich wollte ich bloß ein Zugticket nach Goa kaufen. Doch der Typ am Touristenschalter in Victoriastation hatte anscheinend keine Lust zu arbeiten, und meinte, es gäbe keine Tickets mehr. Also machte ich mich auf die Suche nach einem Internetcafe, um nicht doch ev. im Internet Tickets zu erstehen. Dabei sprach mich ein Mann an, Typ zerknautschter IT-Professor, in Wirklichkeit Fremdenführer, der mir beim Ticketkauf weiterhalf. Zuerst gingen wir zu einer anderen Station, wo überhaupt keine Menschen waren und ich nicht eine halbe Stunde anstehen musste. Doch die Frau hinterm Schalter hat es eilig, denn der Schalter schließt in zehn Minuten. Sie schreit herum, wirft mir Formulare hin. Ich höre nicht auf zu lächeln, schließlich muss sie auch lachen. Das funktioniert in Indien immer. Keep friendly. Inder haben viel Selbsthumor und lieben komische Siutionen. Man muss sie nur an der selbst empfundenen Situationskomik Anteil haben lassen.



Ich mag meinen Touristguide. Er ist günstig, sympathisch, erzählt ständig halblustige Witze, fragt danach immer „correct?“ , schlurft durch die Stadt und erzieht mich. Er zeigt mir Mumbai, das ich alleine so nie sehen könnte. Wir nehmen den Zug in die Slums. Riesenspaß!! Die Zugtüren sind offen und man kann sich hinaushängen und durch Mumbai surfen. Ich steh mit den Jungs die ganze Zeit bei der Tür und lehne mich in den Fahrtwind. Mein Professor wirft mir mahnende Blicke zu.



Im Slum bin ich überfordert von der Dichte der Lebensarten und Eindrücke. Man sollte aber nicht zu lange an einem Ort stehen blieben. Wenn man unangenehm angesprochen wird, grüßen und weitergehen. „Keep going“ sagt mit der Professor. Da ich noch immer kein Fotoprofi bin, ist das nicht immer so leicht, da ich oft viel zu lange brauche, um für meine Bilder Belichtungszeit und Farbtemperatur einzustellen.

Das Leben hier kann man nicht bewerten. Es ist einfach so wie es ist. Es ist nicht schlecht. Es ist auch nicht gut. Es ist Normalität für die Menschen. Sie urteilen nicht darüber und scheinen deshalb nicht unglücklich. Nach einiger Zeit löst sich meine Spannung und ich merke, dass es funktioniert. Dass hier Menschen friedlich und lachend auf engstem Raum leben. Ich merke, dass die Menschen im Grunde gut sind. 30 Millionen. Auf diesem, engen Raum. Hindus und Muslims. Ohne das Gute im Menschen, ohne Hoffnung, Respekt und Höflichkeit wäre das nicht möglich. Wir dürfen und vom Schlechten nicht den Blick auf das Gute verstellen lassen.



Abends abhängen mit Travellern in Colaba. Anthropologinnen, Ethnologen, französische Pärchen, Deutsche im Sari, besoffene Engländer. Ein polnischer Schauspieler, der seit neun Jahren in Indien hängen geblieben ist. Die ganze Mischpoche. Tanzen in Club mit Indern. Bollywood-Beats. Mumbai Nights.

Jetzt sitze ich im Cafe Leopold. Der Kellner verarscht mich dich ganze Zeit. Wir haben Spaß miteinander. Ich mag den indischen Humor. Humorlose Menschen sollten erst gar nicht nach Indien kommen.

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22/23/24/25/26/27/28/29. Oktober
Stecke gerade wieder in einem Road Block auf der Straße nach P/ling an der Grenze zu Indien. 2 h Wartezeit. Ich hab wohl besonderes Glück, dass ich immer in diesen Roadblocks lande. Sitze am Straßenrand, um mich indische StraßenarbeiterInnen. Vor allem Frauen arbeiten hier. In Saris und Flipflops. Von angemessener Arbeitskleidung haben die hier auch noch nichts gehört. Ein Inder köchelt seit einer Stunde Teer in zwei Fässern, indem er Teer ins Feuer schüttet, um den Teer im Fass zu erhitzen. Meine letzten Stunden in Bhutan. Die letzten Stunden Kurvenfahrt durch den Himalaya. Vor mir kotzt ein Inder aus dem Fenster. Brauner Masala Schwall. Schnell das Fenster hochkurbeln. Ab jetzt ist es vorbei mit dem Berstraßen. Ab jetzt gibt’s flat India.



In der letzten Woche hatte ich meine erste bhutanische Premiere meines ersten bhutanischen Theaterstücks inkl. Rezensionen und VIP-Gästen. Fast wie in Europa. Fast. Vier Tage Probenzeit mit Schauspielern die gerne zu spät oder gar nicht kommen. Zwei Tage vor der Premiere hatten wir keine Ahnung wo wir spielen sollen. Der geplante Aufführungsort war plötzlich nicht verfügbar, da die entscheidende Person mit der Königsmutter irgendwo unterwegs und nicht erreichbar war. Hier geht alles über persönliche Kontakte, trotzdem müssen dann mindestens drei Personen ihre Zustimmung geben. Schließlich landeten wir im „Theatersaal“ des Dept. Of Youth and Sports.



Das Schöne ist, hier kann man all das inszenieren, was man sich in Deutschland nie trauen würde. Die Leute haben keine Ahnung von Theater, deshalb muss man sich nicht die Mühe machen und es hätte auch gar keinen Sinn, um die Ecke zu denken. Also keine Hemmung vor Kitsch und Romantik. Wir finden trotzdem zu einer schlichten aber einfachen Theatersprache. Schlicht sind auch die technischen Mittel. Neben einer ganz passablen Soundanlage ist das Licht komplett basic doch mir ist wichtig, zu zeigen, was am Theater alles möglich ist und was auch Licht vermag, auch wenn es nur 8 Scheinwerfer – mit Bindfaden an die Säulen montiert - sind, die ich während der Vorstellung mit 5 Kippschaltern bedienen muss.
Nach ein paar intensiven Probentagen, an denen ich schon mal mit Stühlen werfen muss, damit sie verstehen, dass man, während man eine Szene probt, nicht ans Handy gehen sollte, haben wir eine erfolgreiche Aufführung vor vielen Unterstützern Staatssekretären, die nun mehr in Theater und vor allem ins Happy Valley Theatre investieren wollen. Ein Bollywoodstar aus Bhutan war auch da und meinte, er wolle beim nächsten Mal unbedingt mitspielen. Namaste.

Nach einem Monat Bhutan bin ich noch immer vom Gemeinschaftssinn hier beeindruckt und ich merke immer mehr, wie sehr unser westlicher Individualismus eine Krankheit ist, die unsere Gesellschaft vergiftet. Wie lange habe ich den Satz „Ich brauche meine Freiheit.“ nicht mehr gehört. Die Freiheit, die wir suchen ist keine wirkliche Freiheit, da wir sie im Vergänglichen und Zusammengesetzen suchen, nicht aber in der Leere und wirklichen Freiheit von allem. In dieser falschen Freiheit macht es keinen Sinn, für sich allein zu leben. Die Gesellschaft in Bhutan ist so vom Buddhismus durchdrungen, dass dieses Wissen völlig selbstverständlich ist. Die ganze Theatergruppe kümmert sich um Tsherings Baby, als wäre ihr eigenes. Immer hält es eine oder einer von ihnen auf dem Arm oder hat es auf den Rücken gewickelt. Wenn jemand abends nach Hause will, wird er von den Leuten mit Auto nach Hause gebracht, auch wenn man dafür eine halbe Stunde fahren muss. Im Osten des Landes stellen die Bauern immer Körbe mit Orangen auf die Straßen, damit die Schulkinder sich unterwegs davon nehmen können. Ich könnte hunderte Beispiele aufzählen…

Gestern auf dem Weg zum Tigernest im Parotal. Ein Tempel im Fels. Der touristischte Ort in Bhutan. Anstrengend. Der Tourismus in Bhutan nervt. Nicht weil es viele Touristen sind. Sondern die Art des Reisens und der Touris. Es gibt hier so gut wie keine jungen Touristen, Bhutan ist das Reiseland der Rentner. Nur ältere oder reiche Leute können sich die täglich zu zahlenden 260 Dollar für Visum, Transport und Unterkunft leisten. Die meisten sind 50+/60+, aber auch über achtzig Jährige schleppen sich zu den Klöstern hoch. Nichts gegen Oldies, aber dieses geschützte Rumkutschieren im klimatiserten Jeep von einem Luxushotel zum nächsten ist doch keine Reiseform. Jeder Tourist oder jede kleinere Gruppe hat einen eigenen Guide, alle männlich und im Go (dem traditionellem Gewand), zu ihren amerikanischen und holländischen Gästen immer freundlich, untergeben und lächelnd. Tshering kennt sie alle. Er war früher selbst Guide. Der Weg zum Tigernest dauert normalerweise eineinhalb Stunden, wir brauchen 3, weil wir mit allen Guides, die wir treffen, quatschen. Sobald sie untereinander sind, ist das untertänige Gehabe vorbei. Sie erzählen dreckige Witze, ihre Kunden nennen sie „money“. Immer wieder sieht man einen Guide im Busch sitzen und eine Zigarette rauchen. Versteh ich, wenn man den ganzen Tag von einem amerikanischen Opa vollgequatscht wird und nicht entkommen kann.
Als wir beim Tigernest ankommen, ist gerade Mittagspause für das Mittagsgebet. Eine Stunde lang. Ich bin verdammt hungrig und meine Laune geht zum Nullpunkt. Doch die wachhabenden Soldaten scheinen das zu merken und laden mich in ihre Baracke zum Mittagessen ein. Ein Holzverschlag. Drei Matten mit Schlafsäcken. Da wohnen sie einen Monat lang ohne Pause. Sie schieben den Heizstrahler zu meinen Füßen hin, dann gibt es Fertignudeln und Litschisaft. Mjammi.
Und jetzt ab nach Crazy India.

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